Was ist nicht schon alles über den Darm geschrieben worden. Trotz vielversprechender Ansätze und Forschungen zu unserem einzigen autonomen Organ und trotz einer Fülle an verschiedenen Ernährungsansätzen, geht es dem modernen Darm so schlecht wie nie. Und wenn es dem Darm nicht gut geht, geht es auch dem Menschen nicht gut. Inzwischen wächst die Erkenntnis darüber, dass wir an unserer Ver- und Entsorgungsstation nicht vorbeikommen, wollen wir dauerhaft gesund sein oder bleiben.
Der Darm ist ein „Schlüsselorgan“. Alles was ihm zugeführt wird, wird aufgenommen, verarbeitet, verteilt und abgeführt. Wie gut ihm das gelingt hängt davon ab, wie gut sein Team (Mikrobiom) aufgestellt ist. Je größer die Vielfalt der Teammitglieder (Darmbakterienstämme), desto besser die Verarbeitung und Verteilung der zugeführten Nährstoffe und umso gesünder und resilienter ist der Mensch. Heute weiß man, dass sich die Aufgaben und der Wirkungsgrad des Darms nicht nur auf die Versorgung des Körpers beschränkt. In der Mitte des Körpers gelegen trägt er auch maßgeblich zur emotionalen und auch geistigen Gesundheit bei. Je besser es ihm geht, desto mehr ist auch der Mensch in seiner Mitte – körperlich, geistig und seelisch.
Der moderne Darm – ein Sanierungsfall
Prof. Emeran Mayer aus Kalifornien untersuchte, welchen Einfluss die Zusammensetzung der Darmteams (Mikrobiom) auf die Entstehung von Krankheiten hat. Dabei stellte er fest, dass Naturvölker, wie im Amazonas- oder Orinoko-Gebiet, eine viel größere Vielfalt an Darmbakterien aufweisen als die Menschen in der zivilisierten Welt. Die moderne und zudem bewegungsarme Lebens-und Ernährungsweise hat dazu geführt, dass wir inzwischen bis zu 40 Prozent unserer Darmflora, in Quantität und Qualität, abgebaut haben. Jeder, der sich in das Szenario hineindenkt, weiß oder spürt, was es für ein Unternehmen bedeuten würde, 40 Prozent seiner Mitarbeitenden inklusive des Knowhows zu verlieren. Da heißt es entweder zu verstehen, wie das passieren konnte und einen Wiederaufbau starten, oder zu kapitulieren.
Die Reduzierung des Mikrobioms hat mit dazu geführt dass Krankheitsbilder, die früher eher selten vorkamen, nun in steigendem Maße auftreten. Dazu zählen Autoimmun-Erkrankungen, Nahrungsmittelallergien und -unverträglichkeiten, entzündliche Darmerkrankungen oder auch Asthma bis hin zu Depressionen. Bei der Sanierung eines Unternehmens betreibt man Ursachenforschung. Bei der Erforschung dessen, was dazu geführt hat, dass es dem modernen Darm so geht wie es ihm geht, auch.
Wie jedes Unternehmen so hat auch ein Darm unterschiedliche Startvoraussetzungen. Bei natürlichen Geburten erhält das Neugeborene bei der Passage des Geburtskanals sein Darmflora-Starterpaket. Anders verhält es sich bei Kaiserschnittgeburten. Die Zahl der Kaiserschnittgeburten ist in den vergangenen Jahrzehnten stark angestiegen.
Die Heliosklinik schreibt dazu auf ihrer Webseite: „In Deutschland kommt mittlerweile etwa jedes dritte Kind per Kaiserschnitt (Sectio) auf die Welt. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland damit weit vorne. Im europäischen Ranking sogar auf dem vierten Platz. Eine Kaiserschnittgeburt bringt auch Nachteile für das Baby. Bei einer natürlichen Geburt wird die Bakterienflora im Geburtskanal auf das Baby übertragen, wodurch der Darm und die Haut des Kindes schneller mit wichtigen Bakterien besiedelt werden können. Bei einem Kaiserschnitt kommt das Kind nicht mit der besagten Bakaterienflora in Berührung. Studien zeigen auf, dass Kaiserschnittkinder deshalb im Laufe ihres Lebens ein höheres Risiko für Übergewicht, Allergien oder Asthma haben.“
Kaiserschnittkindern fehlt dieses Darmflora-Starterpaket, das wesentlich ist für den Aufbau und die Zusammensetzung der Darmflora und auch für den Aufbau des Immunsystems.
Der Darm – und sein Potenzial
Der Darm ist so groß, dass man sich fragt, wie er sich im Körper überhaupt entfalten kann. Er kann bis zu 7 Meter Länge erreichen. Aufgeklappt entspricht das in etwa der Größe von zwei Tennisplätzen. Er verfügt über mehr Abwehrzellen als Haut und Atemwege zusammen. Im Darm tummeln sich, Untersuchungen zufolge, mindestens 1.014 verschiedene Mikroorganismen, die friedlich miteinander leben. Gewogen, entspräche das in etwa 1,5 bis 2 Kilogramm. Die Darmflora ist mit „guten“ und „schlechten“ Bakterien besiedelt. Kein Problem, solange die „Guten“ die Oberhand behalten. Ist der Darm geschwächt, ist auch das Immunsystem geschwächt, das zu ca. 70-80 Prozent im Darm zuhause ist. Die Entfaltung dieses Potenzials erfolgt nur bei entsprechender Forderung.
“Zu wenig Bewegung, zu wenig natürliche Auseinandersetzung mit den Umwelteinflüssen lassen den Darm träge werden. Auf Mitarbeiter bezogen hieße das: Outsourcen und damit einhergehend Abbau von Arbeitsplätzen und genauso reagiert der Darm. Darmbakterienstämme werden abgebaut.”
Der moderne Darm – in der Abstiegsspirale
Früher wurde das Immunsystem im alltäglichen Leben regelrecht trainiert. Es wurde nicht alles gleich desinfiziert, die Kinder spielten im Matsch, hatten aufgeschürfte Knie, waren viel in Bewegung und wurden sie mal krank, kamen natürliche Hausmittel zum Einsatz, die die Selbstheilungskräfte aktivierten. Erst wenn das nicht half wurde ein Arzt konsultiert.
Der moderne Darm träumt von solch einem Leben. Ihm fehlt diese wichtige Auseinandersetzung, durch die seine Widerstandskraft gestärkt wird. Durch das zivilisierte Leben und die wachsende Zahl an Produkten, wie Desinfektionsmittel u.v.m., die ihm seine Arbeit abnehmen, wird er immer träger und leidet schon fast an bore out (Darmträgheit). Zu wenig Bewegung, zu wenig natürliche Auseinandersetzung mit den Umwelteinflüssen lassen den Darm träge werden.
Auf Mitarbeiter bezogen hieße das: Outsourcen und damit einhergehend Abbau von Arbeitsplätzen und genauso reagiert der Darm. Darmbakterienstämme werden abgebaut. Hinzu kommt, dass wir in unseren Breiten im Überfluss (Überangebot) leben. Jederzeit ist Nahrung verfügbar. Dadurch kommt es im Darm zu einem Nährstoffüberschuss mit der Folge, dass der Stoffwechsel ins Schleudern gerät und der Darm mit der Verdauung überfordert ist. Das Immunsystem ist zudem rund um die Uhr auf der Hut, weil es sich mit vielen unbekannten Feinden wie Nanopartikeln, Mikroplastik, Konservierungsstoffen, Schwermetallen u.v.m. auseinandersetzen muss.
Es stellt sich ein über Jahre schleichender, oft lange unbemerkter Prozess ein, der den Darm auf Dauer schädigt.
Sog. Silent Inflammation entstehen, die nach heutigem Forschungsstand bei der Entstehung vieler chronischer Krankheitsbilder eine zentrale Rolle spielen. Zu den Hauptauslösern von chronischen Entzündungen zählen mangelnde Stressregulation und eine einseitige bzw. eine Fehlernährung. Einseitig, weil dem Darm zwar viel zum Verarbeiten zugeführt wird, aber seinem persönlichen Bedarf an Nährstoffen, Bewegung und Entspannung nicht ausreichend nachgekommen wird.
Der Preis für das moderne Leben ist hoch. Er geht einher mit einem bereits Jahrzehnte andauernden schleichenden Entfremdungsprozess zur eigenen Natur.
Der moderne Darm – und die Gesellschaft
Dieser Entfremdungsprozess hat viele Gesichter:
- Die Digitalisierung mit ihren Annehmlichkeiten auf der einen und der Bequemlichkeit auf der anderen Seite (Darmträgheit, Verdauungsstörungen).
- Die Digitalisierung mit ihrer Reizüberflutung auf der einen und der zunehmenden Überforderung auf der anderen Seite (Reizdarm, Allergien).
- Die Vielfalt des Nahrungsangebotes auf der einen und die Einseitigkeit der Ernährung auf der anderen Seite (Lebensmittelunverträglichkeiten).
- Die „Wir nehmen Euch alles ab“-Medizin auf der einen und der Verlust des Gefühls – körperlich, geistig, seelisch – für sich selbst auf der anderen Seite (Stimmungsschwankungen, Depression).
Dieser Entfremdungsprozess ist von gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Natur. Er beginnt bereits bei den Jüngsten. Viele Kinder wachsen in dem Erleben auf, dass Gesundheit etwas ist, das nur von außen gesteuert wird. Wenn etwas weh tut, geht man zum Arzt und der richtet das schon. Das Bewusstsein und das Wissen dafür, was man selbst tun kann, wie man sich selbst helfen kann und dass man Selbstheilungskräfte besitzt, geht mit der Großelterngeneration zunehmend verloren. Und diese Prägung hat nachhaltige Folgen.
Auch wenn es aktuell ein sensibles Thema ist, lässt sich diese Prägung sehr gut am Beispiel des Impfens im Kindes- und Jugendalter verdeutlichen. Es geht in diesem Kontext nicht um das Impfen an sich, sondern darum, wie Kinder den prägenden Vorgang des häufigen und regelmäßigen Impfens, der einem Ritual gleichkommt, verbuchen.
Ein Glaubenssatz wird geboren: Es kommt etwas von außen, das eine mögliche schlimme Krankheit verhindert. Ich selbst trage nichts dazu bei, die drohende Gefahr zu beheben. Das wird für mich erledigt. Andere sind für meine Gesundheit zuständig. Ich trage keine Verantwortung.
Oftmals entwickelt sich im späteren Leben daraus die Haltung, dass man beispielsweise für seine Rückenschmerzen und für seine Stimmungslage nicht verantwortlich ist. Und auch die Bereitschaft aus eigenem Antrieb heraus etwas für sein Wohlbefinden zu tun wächst häufig erst, wenn es sich nicht mehr vermeiden lässt.
Wie schwer es fällt, diese Haltung zu überwinden, erleben Unternehmer:innen, die Selbstfürsorge und gesundes Arbeiten in den Arbeitstag integrieren möchten. Die Begeisterungsstürme der Belegschaft sind einem sicher. 😉 Bei einer dauerhaften Vernachlässigung der Darmbedürfnisse und bei einem nicht trainierten Immunsystem erschöpft sich die Leistungsfähigkeit des Darmes und seines Besitzers schon beim Erledigen des Nötigsten. Denn der moderne Darm leidet nicht nur unter bore out, sondern gleichzeitig auch unter burn out. Allergien, Reizdarm, chronische Darmentzündungen bis hin zu Autoimmunerkrankungen – gereizt sein bis depressiv sein – sind unter anderem die Folge einer überschießenden Immunantwort.
Aber nicht nur die körperliche Widerstandskraft ist vermindert, sondern auch die emotionale. Heute weiß man, dass Emotionen vom Darm mitgesteuert werden, und dass Darm und Gehirn ziemlich beste Freunde sind. Bei der jüngeren Generation findet man diese Symptom- und Krankheitsbilder zunehmend, gepaart mit der Tendenz Konflikten möglichst aus dem Weg gehen zu wollen. Viele junge Menschen haben zudem eine ausgeprägte Tendenz, sich emotional fordernden Situationen nicht aussetzen zu wollen. Was fehlt ist häufig Standfestigkeit und emotionale Stabilität, ausgelöst durch eine unzureichende Stressregulation. Auch die regelmäßige Aufnahme synthetisch hergestellter Nahrungsmittel, zu denen auch manche vegane Produkte zählen, und Getränke spielt hier eine nicht unwesentliche Rolle. Diese Faktoren tragen mit dazu bei, dass bei immer jüngeren Menschen zunehmend chronische Krankheitsgeschehen diagnostiziert werden, insbesondere chronisch entzündliche Darmerkrankungen wie z.B. Morbus Crohn oder Colitis Ulcerosa.
“Heute weiß man, dass Emotionen vom Darm mitgesteuert werden, und dass Darm und Gehirn ziemlich beste Freunde sind.”
Der Darm – die Bestandsaufnahme
Wie bei Sanierungsprozessen üblich, beginnt dieser auch beim Darm mit einer Bestandsaufnahme. Ist die Bestandsaufnahme erfolgt, braucht es eine zugewandte Führung. Eine Führung, die sowohl nach außen (Einflussfaktoren) wie nach innen gerichtet (Verarbeitungsmöglichkeiten/Potenzial) arbeitet. Seinen Darm verstehen lernen, ihm Aufmerksamkeit schenken und ihm alles bereitstellen, damit er seine Arbeit für uns tun kann, wäre ein Lösungsansatz.
Der Darm – das unbekannte Wesen
„Eure Nahrungsmittel sollen eure Heilmittel sein.“
Hippokrates
Seit vielen Jahren stecken Unternehmen viel Geld in die Potenzialentfaltung ihrer Mitarbeitenden. Aber immer häufiger trifft man auf gestresste, müde, verstimmte, gereizte, unaufgeräumte, überforderte oder überaktive Mitarbeitende. Wo setzt Potenzialentfaltung sinnvollerweise an? Wäre es nicht sinnvoll, wenn Potentialentfaltung dort beginnen würde, woraus der Mensch seine Kraft schöpft? Und hierbei spielt die Ernährung eine überaus wichtige Rolle.
Mit der Entwicklung von Kantinen hin zu Betriebsrestaurants hat sich in der Regel auch das Speisenangebot qualitativ verbessert. Man ist bemüht, ein breiteres Spektrum für verschiedene Zielgruppen an Speisen anzubieten. Zunehmend wird in den Betriebsrestaurants auch auf Trend-Ernährung gesetzt. Aber ist Trend-Ernährung für jeden Darm gleichermaßen geeignet? VW geht aktuell noch einen Schritt weiter und streicht bei der Umstellung auf ausschließlich vegetarische und vegane Kost die „geliebte Currywurst“.
Wenn Ernährung plötzlich von einer fleischreichen auf eine rein pflanzliche Ernährung oder von gekochter auf eine rohkostreichere Ernährung umstellt wird, gibt es, wie in jedem Unternehmen, so auch im Darm, unterschiedliche Reaktionen auf die Neuerung. Manche Därme freuen sich, weil die neue Ernährung endlich ihrem „Typ“ entspricht und andere reagieren empört, weil sie nicht die passenden Tools haben (Bakterienstämme), um den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Kennen Sie Ihren Darm-Typ (Entero-Typ)?
Der Darm – und sein „Typ“
Vom Darm wird erwartet, dass er ohne Wenn und Aber die Ernährungsideen seines Besitzers tapfer erträgt. Ob er dafür die passenden „Werkzeuge“ (Bakterienstämme) hat? Man weiß es nicht.
Vom Superfood-Darm bis hin zum Fastfood-Darm gibt es keinen Darm, der dem anderen gleicht. Aber welche Darm-Teams machen den eigenen Darm aus?
Es gibt viele Erkenntnisse darüber, wie der Darm z.B. auf Medikamente, wie das populärste in Verbindung mit dem Darm, das Antibiotika, reagiert. Man weiß, dass Antibiotika auch die „guten“ Bakterienstämme reduziert und empfiehlt nach Einnahme die Darmflora wieder aufzubauen. Es gibt auch viele Darmkuren, Darmreinigungen etc. die man machen kann, damit es dem Darm besser geht. Viele dieser Darm aufbauenden Kuren oder Diäten werden durchgeführt, ohne den eigenen Darm befragt zu haben, ohne Bestandsaufnahme.
An ihren Darmbakterien sollt ihr sie erkennen.
2011 veröffentlichte Peer Bork, Bioinformatiker am Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie in Heidelberg, eine Studie, die die Menschheit in drei Darmtypen unterteilt. (Quelle: Fachjournal “Nature” doi: 10.1038/nature09944).
Das Forschungsergebnis überraschte. Unabhängig von Nation, Kultur, Alter oder Geschlecht kann jeder Mensch einem der drei Bakterienstämme zugeordnet werden. Jeder Darm-Typ hat seine eigenen Vorlieben und auch einen anderen Stoffwechsel. Spannend ist, dass die Forscher aufgrund der Zusammensetzung der Darm-Typen-Flora auch Rückschlüsse auf typische Krankheitsbilder, die sich durch die Zusammensetzung des Mikrobioms ausprägen können, ziehen können.
Darm-Typ 1 beispielsweise hat eine geringere Bakterienvielfalt, was Krankheiten zu begünstigen scheint. Manche Bakterienstämme können besser Kohlehydrate aufspalten und Zucker besser abbauen und dem Körper schneller zur Verfügung stellen. Dafür können diese Typen z.B. nicht so gut Eiweiße aufspalten. Bei Fleischessern dominiert meist Bacteroides im Darm, bei Vegetariern dagegen Prevotella. Unsere Darmbakterien verwerten Nahrung unterschiedlich aufgrund ihrer Zuständigkeit und Team-Zusammensetzung. Das heißt nicht automatisch das man als Fleischesser nicht Vegetarier werden kann, sondern dass man die Umstellung am besten Darm-Typ gerecht gestaltet.
Der Darm – und sein Mensch
„Wenn wir jedem Individuum das richtige Maß an Nahrung und Bewegung zukommen lassen könnten, hätten wir den sichersten Weg zur Gesundheit gefunden.“
Hippokrates
Vielen Menschen dämmert es bereits, dass, wollen sie gesund sein, sie nicht an ihrem Darm vorbeikommen. Und ihnen dämmert, dass es ohne Eigeninitiative nicht geht. Wer seinen Darm kennt, sich entsprechend ernährt, sich dabei auch ausreichend bewegt und sich auch noch etwas Ruhe gönnt, tut bereits eine ganze Menge, auch für sein emotionales Wohlbefinden und darf auch mal mit Genuss „sündigen“.
Selbst für Menschen, die sich gesund fühlen und auch selbst für die, die sich bereits bewusst ernähren, ist es sinnvoll, den Darm-Typ bestimmen zu lassen. Über eine Optimierung freut sich jeder Darm. Bei den U-Untersuchungen der Kinder müsste auch eine Darm-Typ-Bestimmung obligatorisch sein. Es würde die Eltern befähigen ihr Kind so zu versorgen, wie es seinem Darm-Typ entspricht, was sich auf die physische und auch psychische Gesundheit des Kindes und des späteren Erwachsenen positiv auswirken würde. Wenn ein Darm-Typ z.B. vegane Kost nicht gut verwerten kann, tut man seinem Darm und seinem Körper auf Dauer keinen Gefallen und läuft sogar Gefahr sich fehl zu ernähren, mit entsprechenden Folgen.
Der teure Darm – im Unternehmen
„Der Weg zur Gesundheit führt durch die Küche, nicht durch die Apotheke.“
Sebastian Kneipp
Können Unternehmen bzw. Betriebsrestaurants eine darmgerechte Ernährung anbieten? Wie müsste diese aussehen? Ist das überhaupt möglich? Vielleicht ist ein ausgewogenes und gleichzeitig gezieltes Angebot, das möglichst auf verschiedene Darm-Typen und -bedürfnisse ausgerichtet ist, ein gangbarer Weg. Auf jeden Fall wäre es eine gezielte und gesunde Herangehensweise.
In Betriebsrestaurants wird auf Allergene im Essen hingewiesen. Dieser Hinweis ist seit Jahren sogar vorgeschrieben, weil es kaum noch einen gesunden Darm gibt. Die Älteren unter den Lesenden wissen, dass es das früher kaum gab. Um ein solches Speisenangebot anbieten zu können, müssten die Betreiber und Köche entsprechend geschult und beraten werden.
Ein darmfreundliches Speisenangebot zielt weniger auf die gewohnheitsmäßigen Gelüste und Vorlieben der Menschen ab als vielmehr darauf, welche Stoffe der Organismus braucht. Natürlich darf das auch gut schmecken. Eine darmfreundliche Ernährung kann entscheidend dazu beitragen, den Darm und damit auch das Immunsystem zu stärken. Neben dem Verzicht auf stark verarbeitete Lebensmittel und der Reduzierung von „schlechten“ Fetten sowie Zucker sind vor allem vitalstoffreiche Lebensmittel empfehlenswert.
So wären Hinweise auf den Gehalt von Vitaminen, Mineralstoffen oder Spurenelemente im Essen und der Information was diese bewirken, neben der vorgeschriebenen Allergenliste, eine gute Botschaft für den Konsumenten, der dann gezielter das Essen wählen könnte, das ihm gut tut.
Vitalstoffe sind unser täglicher Treibstoff. Ohne Vitalstoffe kommen auch die Stoffwechselvorgänge in unserem Organismus zum Erliegen. Ohne Mineralstoffe wie Magnesium können die Muskeln nicht richtig arbeiten. Ohne Calcium verlieren die Knochen an Stabilität und ohne Vitamin C, Zink und Selen arbeitet unser Immunsystem nur eingeschränkt. Dies sind nur einige Gründe dafür, weshalb es sinnvoll ist, ein Speisenangebot mit der Ausrichtung darauf, was gefördert und gestärkt wird und nicht nur darauf, was es nicht enthält, auszurichten.
Betriebsrestaurants, die z.B. fermentierte Lebensmittel anbieten, wären in punkto Gesundheit ganz vorne dabei. Fermentierte Lebensmittel leisten einen wichtigen Beitrag zur Darmgesundheit. Bei dieser sehr alten Methode für die Konservierung und Herstellung von Lebensmitteln entstehen außer Säuren auch schmackhafte Aromen und wertvolle Inhaltsstoffe. Nützliche Lebendkulturen wie Milchsäurebakterien vermehren sich und Vitamine bleiben erhalten. Viele Lebensmittel, wie beispielsweise Sauerkraut, Rote Beete, Kimchi, Kefir und Miso lassen sich fermentieren.
Eine Angebotsumstellung, die das Bewusstsein der Konsumenten auf „was kann ich selbst tun“ lenkt, ist teuer. Und hier kommt der größte limitierende Faktor ins Spiel – der Mensch mit seinen Vorstellungen darüber, wie viel eine gesunde Ernährung kosten darf.
Und damit steht auch die Frage im Raum, bis wohin ein Unternehmen seinen Mitarbeitenden in dieser Hinsicht entgegenkommen kann und ab wo der Mitarbeiter seinen Teil zu seinem leiblichen Wohlbefinden selbst leisten müsste.
Neben der Bereitschaft seiner Ernährung Mehr-Wert zu geben, braucht es auch ein gewisses Grundverständnis dafür was jeder für die eigene Gesunderhaltung tun kann. Und daran hapert es. Hier gibt es noch viel nach- und aufzuholen.
Wenn die Kosten für das Verdauungssystem mit 41,6 Milliarden Euro an dritter Stelle noch vor den Kosten für Rücken- und andere Muskelerkrankungen, liegen, wie Dieter Boch in seinem Blogbeitrag schreibt (und das Statistische Bundesamt hier ausweist), kann etwas gewaltig nicht stimmen.
Es ist sinnvoll und wichtig, dass Unternehmen darauf reagieren und Hilfen, Ratschläge und Einrichtungen im Büro für Menschen mit Krankheiten des Verdauungssystems anbieten! Wenn Unternehmen, neben den Angeboten zur Vorbeugung von Bewegungsdefiziten, sich auch um Angebote bemühen, Erkrankungen des Verdauungstraktes vorzubeugen und dazu auch eine gesunde Ernährung anbieten, spricht in jedem Fall für das Unternehmen.
Nur irgendwann stellt sich die Frage der Verhältnismäßigkeit, der Leistbarkeit, der Zuständigkeit – und der Ursachen. Unternehmen baden vieles von dem aus, was die Gesundheitsindustrie verursacht und verantworten müsste, aber nicht tut. Und sie werden immer mehr zu einem Auffangbecken für die Versäumnisse der Gesellschaft. Zugegeben, nicht in jedem Unternehmen steht das Wohlbefinden der Menschen mit an erster Stelle. Aber bei nicht wenigen.
Die ungewollte Erbschaft
Unternehmen erben die Ergebnisse jahrelanger Versäumnisse und Unterlassungen. Viele Faktoren haben dazu beigetragen:
- Eine “Gesundheits”-Industrie, die den Menschen zu einem nicht reflektierten Medizinkonsum erzieht.
- Ein Erziehungssystem, das den natürlichen Bewegungsdrang der Kinder fast schon unterdrückt und kaum gehirngerechte Lehrmethoden anwendet.
- Ein Schulsystem, das Schülern nicht ausreichend beibringt, Stress zu regulieren und mit Konflikten umzugehen.
- Eine Digitalisierung, die die Menschen mit Reizen überschüttet und dadurch den Zugang zu sich selbst erschwert.
- Eine zunehmend freudlose Leistungsgesellschaft, die an der Psyche nagt.
- Und nicht zuletzt die Haltung nicht weniger Mitarbeiter, die sich lieber bei jedem Zipperlein krankschreiben lassen und aus eigenem Antrieb nicht bereit sind, etwas für sich zu tun, um unnötige Krankschreibungen zu vermeiden.
Zu hart formuliert? Die Kosten sprechen für sich.
Der teure Darm – (k)ein Happy End?
Leider kann ein Unternehmen nicht darüber entscheiden, ob es das Erbe antreten will. Es ist gefordert, Wege zu finden mit dieser Erblast umzugehen, solange das System in dieser Form – höher, schneller, weiter – noch Bestand hat.
Aber es hat das Recht genauer hinzusehen, Ursachenforschung zu betreiben, alles zu hinterfragen und den für sich passenden Weg hin zu einem gesunden und resilienten Unternehmen einzuschlagen und zu verfolgen.
Immer mehr Unternehmer:innen erkennen die Zusammenhänge und haben den Mut, sich neu zu erfinden, weil sie wissen und spüren, dass das alte System in dieser Form austherapiert ist und kollabieren muss. „Bevor etwas besser werden kann, wird es oft erstmal schlechter – aber dann wird es richtig gut.“
Über die Autorin
Khristin D. Randazzo ist Inhaberin der holicon – holistic concepts® sowie Beraterin des iafob deutschland. Ihre Schwerpunkte liegen dabei auf Raumkonzeption mit Gesundheitsförderung und modernen Arbeitslandschaften.