„Der Charakter unserer Zeit soll in unseren Bauten spürbar sein. Wir wollen die Form unserer Bauten aus dem Wesen der Aufgabe heraus gestalten, aber mit den Mitteln unserer Zeit.“
– Ludwig Mies van der Rohe, 1923
100 Jahre nach Mies van der Rohes Aussage über das Ziel der Gestaltung von Bauten gehört zu den „Mitteln unserer Zeit“, die Schaffung und der Betrieb von Gebäuden, die der Gesunderhaltung unseres Planeten und damit unserem eigenen Wohlbefinden gerecht werden.
40 Prozent des weltweiten CO2-Anteils werden von Gebäuden verursacht. Das Vermeiden und Reduzieren von Emissionen sind daher die wichtigsten Maßnahmen, um die Klimakatastrophe zu mildern.
Und NEW WORK bietet einen zukunftsorientierten Ansatz zur Arbeitsgestaltung, der die Bedürfnisse des Menschen und die sich rasant wandelnden Anforderungen aus Wirtschaft und Technologie berücksichtigt.
Nachhaltiges, produktives und wohlbefindliches Arbeiten muss gewollt und geschaffen werden.
VORWEG
Nachhaltigkeit steht derzeit weit oben auf der Agenda unserer gesellschaftlichen Diskussion. Aber eigentlich ist es ein Thema, das schon seit Jahrzehnten erkannt ist. Im Bericht der “UN World Commission on Environment and Development” von 1987 steht: “Sustainable development = development that meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs”.
2012 hat sich das flexible.office.network. (f.o.n.) intensiv mit Studien aus der Schweiz beschäftigt, die folgende Aspekte untersuchten:
- „Wie wirken sich nachhaltige Gebäude auf Komfort, Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Gebäudenutzenden aus?“
- „Wie gehen die Nutzenden mit solchen Gebäuden um und wie beeinflusst dies wiederum Komfort und Energieverbrauch im Gebäude?”
Bei allen Treffen des f.o.n. spielt Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle – sei es durch die unternehmerische Einstellung der Unternehmen zu Klima und Umwelt oder auch durch persönliche Bestrebungen, das eigene Verhalten zu verbessern.
Deshalb hat sich das f.o.n. bis heute immer wieder damit beschäftigt, zuletzt im September 2023 in einem Workshop bei der Österreichischen Nationalbank mit folgenden konkreten Fragen:
- Wie lässt sich ein Gebäude nachhaltig gestalten? (25 Maßnahmen)
- Wie lässt sich ein Gebäude nachhaltig nutzen und betreiben? (21 Maßnahmen)
- Wie kann man NEW WORK in einem bestehenden Gebäude umsetzen? (15 Maßnahmen)
61 Maßnahmen wurden insgesamt definiert, wobei Nachhaltigkeit unter ökologischen, sozialen, gesellschaftlichen und ökonomischen Gesichtspunkten betrachtet wurde.
In einer Umfrage von iafob deutschland bei den Mitgliedsunternehmen im flexible.office.network. wollten wir ermitteln, welche Maßnahmen in Organisationen schon umgesetzt wurden, gerade realisiert werden oder in der Planung sind. So entstand eine Landkarte mit Praxisbeispielen, wie sich Nachhaltigkeit in Unternehmen entwickelt. (Stand November 2023)
MANAGEMENT SUMMARY
Es sind viel mehr Menschen zum Wandel bereit, als man denkt. In der im Juli 2023 veröffentlichten Naturbewusstseinsstudie des Umweltministeriums halten 86 Prozent der Erwachsenen in Deutschland einen umfassenden gesellschaftlichen Wandel für notwendig, um die Klimakrise aufzuhalten.
15 der 17 Mitgliedsunternehmen des flexible.office.network. (f.o.n.) und zwei Gäste – insgesamt maximal 17 Antworten – haben an der qualitativen Befragung teilgenommen. Beantwortet wurden die Fragen von verantwortlichen Gestaltern von BüroArbeitswelten (Facility Management, HR, Zentrale Dienste).
Es geht um die Qualität der Aussagen, denn nur Gestaltende der BüroArbeitswelt, die sich seit Jahren mit Nachhaltigkeit beschäftigt haben, wissen, wie die Qualität der Umwelt erhalten und produktive und wohlbefindliche Arbeit gestaltet werden kann. Einzelne Fragen konnten ausgelassen werden.
Und bei den an der Befragung teilnehmen Unternehmen wird nicht nur geredet, sondern getan. Nachhaltigkeit ist bei fast allen Unternehmen Teil des Leitbildes (15 von 17). Beim überwiegenden Teil werden auch alle drei Komponenten – Materialverbrauch, Treibhaus-Gas, Abfall – betrachtet (10 von 17).
Gebäude nachhaltig gestalten
Bei 8 von 14 Unternehmen wird geprüft, ob Bestand nachhaltig zu verändern geht oder ob ein Neubau mit nachhaltigen Materialien und Betrieb nachhaltiger ist.
Regionale Auswahl des Materials und der Handwerker stehen bei 15 von 17 im Vordergrund, um den CO2-Ausstoss zu minimieren. Auch wird das Gebäude offen für zukünftige IT- und Präsentationstechnik geplant(12 von 16).
Nachholbedarf besteht bei der Verwendung alter Materialien (Re-Use), bei der Prüfung, ob Abriss, Sanierung oder Umbau zielführend ist (5 bzw. 6 von 17).
Gebäude nachhaltig nutzen und betreiben
Bei der überwiegenden Zahl von Unternehmen (12 von 15) wird durch flexible und mobile Arbeitsweisen die Auslastung der Fläche optimiert.
Bei einem festgestellten Leerstand werden Maßnahmen getroffen, die entsprechende Fläche umzugestalten bzw. unterzuvermieten (7 von 12).
Überwiegend realisiert ist der Einsatz von Bewegungsmeldern für die Lichtsteuerung, von Buchungssystemen und die Voreinstellung für Heiztemperaturen (10 bzw. 12 von 15, 16).
Ebenso positiv sieht es bei der regionalen Beschaffung bzw. der Reparatur oder der Rückgabe von Möbeln aus (10 bzw. 12 von 16, 17).
Bei der Maßnahme Brauchwasser statt Trinkwasser zur Nutzung als Toilettenspülung besteht noch großer Nachholbedarf (2 von 14).
NEW WORK in einem bestehenden Gebäude umsetzen
Nachhaltig arbeiten und NEW WORK Arbeitsweisen umsetzen gelingt in bestehenden Gebäuden sehr gut. In dieser Kategorie werden die meisten Fragen mit „realisiert bzw. geplant“ beantwortet; im Durchschnitt 12 von 14.
Dank vorhandener Spielregeln für hybrides Arbeiten (15 von 16) und dem Einsatz von Desksharing (12 von 16) gelingt es den Unternehmen nachhaltig zu arbeiten, Ressourcen zu schonen und Emissionen zu minimieren.
Das Ziel Nachhaltigkeit wird im Unternehmen ausreichend kommuniziert (10 von 15) und Informationen und Seminare werden angeboten (13 von 14). Nachhaltiges Verhalten der Mitarbeitenden wird aber nicht ausreichend belohnt (nur 4 von 14). In dieser Frage wünschen sich die verantwortlichen Gestalter von BüroArbeitswelten mehr Engagement (9 von 14).
ERGEBNISSE
Nachhaltigkeit ist bei fast allen Unternehmen Teil des Leitbildes (15 von 17).
Das ist nicht erstaunlich, denn seit 2012 hat sich das f.o.n. intensiv mit Studien in der Schweiz beschäftigt, die untersuchten: „Wie wirken sich nachhaltige Gebäude auf Komfort, Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Gebäudenutzenden aus?“ „Wie gehen die Nutzenden mit solchen Gebäuden um und wie beeinflusst dies wiederum Komfort und Energieverbrauch im Gebäude?“
Beim überwiegenden Teil werden auch alle drei Komponenten: Materialverbrauch, Treibhaus-Gas, Abfall betrachtet (10 von 17).
Nachholbedarf besteht bei der Verwendung alter Materialien (Re-Use), bei der Prüfung, ob Abriss oder Sanierung oder Umbau zielführend ist (5 bzw. 6 von 17).
Hier ist auch der Wunsch des Einzelnen, dies umzusetzen, besonders hoch (7 bzw. 6 von 16).
Mehr als die Hälfte der Unternehmen prüft, ob eine eigene Energieerzeugung möglich ist, und wenn ja, dann werden von diesen regenerative Energien eingesetzt (10 von 15).
Eine vertikale Erweiterung des Gebäudes ist von knapp der Hälfte (5 von 11) realisiert, bei weiteren fünf ist es in der Planung.
Bei 10 von 14 Unternehmen gibt es eine langfristige Bauplanung, bzw. wird sie eingeführt.
Zerlegbare bzw. wiederverwendbare Raumteiler setzen knapp die Hälfte ein
(5 von 10).
Gewünscht wird sich vom Einzelnen, dass Energieeinsparziele Teil der Strategie sind (7 von 16).
Regionale Auswahl des Materials und der Handwerker stehen bei 15 von 17 im Vordergrund, um den CO2-Ausstoß zu minimieren. Auch wird das Gebäude offen für zukünftige IT- und Präsentationstechnik geplant(12 von 16).
Großer Nachholbedarf besteht bei Einsatz des EC 3 Tools (3 von 11) und ebenso groß ist das Bedürfnis des Einzelnen, dass es eingesetzt werde (9 von 14).
Fassaden und Dächer zu begrünen, wünschen sich 7 von 15 verantwortlichen Gestaltern von BüroArbeitswelten. Wenn schon die Gebäude für 40 % des CO2-Ausstoßes verantwortlich sind, sollten sie sich durch eine „grüne“ Fassade ändern.
Die von der EU vorgeschriebene Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainabilty Reporting Directive CSRD) zwingt die Unternehmen, die Risiken ihres Geschäftsmodells für die Zukunftsfähigkeit aufzuzeigen.
Im Juli 2023 hat dazu die EU erstmals European Sustainability Reporting Standards (ESRS) veröffentlicht.
Bei einer weit überwiegenden Zahl von Unternehmen (12 von 15) wird durch flexible und mobile Arbeitsweisen die Auslastung der Fläche optimiert.
Bei einem festgestellten Leerstand werden Maß-nahmen getroffen, die entsprechende Fläche umzugestalten bzw. unter zu vermieten ( 7 von 12).
Verbessern lässt sich noch die 24h-Nutzung durch nicht arbeitsbezogene Nutzung bzw. durch Externe (nur 1x bzw. 3x genannt).
Auch die Nutzung der Wärme der Serverräume ist verbesserungsbedürftig (4 von 9). Der Wunsch danach ist hoch (8 von 13).
Überwiegend realisiert ist der Einsatz von
- Bewegungsmeldern für die Lichtsteuerung,
- Buchungssystemen und
- die Voreinstellung für Heiztemperaturen
(10 bzw. 12 von 15, 16)
Ebenso positiv sieht es bei der regionalen Beschaffung bzw. der Reparatur oder der Rückgabe von Möbeln aus (10 bzw. 12 von 16, 17).
Auch wird der Einkauf von „grünem“ Strom genau geprüft (9 von 16).
Ein Angebot an vegetarischem bzw. veganem Essen ist bei 10 von 15 Unternehmen vorhanden.
In einer Studie der Oxford University von 2022 wird ein Vier-Punkte-Programm aufgezeigt, um den Klimawandel zu minimieren.
Der erste und wichtigste Punkt ist: weniger Fleisch. Von 100 Kalorien aus Tierfutter kommen über die Milch beim Menschen nur 40 Kalorien an, bei Eiern 22, beim Hühnerfleisch 12, bei Schweinefleisch 10 und bei Rindfleisch gerade noch 3.
Es entstehen pro Kilo Rindfleisch bis zu 20 Kilo CO2-Äquivalente, bei Schweinefleisch etwa 8, bei Huhn und Fisch etwa 4, und bei regionalem/saisonalem Obst und Gemüse nahezu Null CO2-Äquivalente.
Ebenso bieten 14 von 16 Trinkwasser statt Mineralwasser an. Die angebotene Verpflegung ist saisonal und „on-Demand“ (8 von 14).
Bei der Maßnahme Brauchwasser statt Trinkwasser für die Toilettenspülung zu nutzen, besteht noch großer Nachholbedarf (2 von 14).
Nachhaltig Arbeiten und NEW-WORK-Arbeitsweisen umsetzen, gelingt in bestehenden Gebäuden sehr gut. Hier werden die meisten Fragen mit „realisiert bzw. geplant“ beant-wortet; im Durchschnitt 12 von 14.
Dank vorhandenen Spielregeln für hybrides Arbeiten (15 von 16) sowie dem Einsatz von Desksharing (12 von 16) gelingt es den Unternehmen, nachhaltig zu arbeiten, Ressourcen zu schonen und Emissionen zu minimieren.
Bei 5 von 13 Unternehmen ist dazu noch keine Betriebsvereinbarung abgeschlossen oder in Planung, wird aber von den verantwortlichen Gestaltern von BüroArbeitswelten gewünscht.
Da Spielregeln für hybrides Arbeiten eingeführt sind, wird dies auch ausreichend unter-stützt (15 von 17). Räume für den Austausch mit Externen sind vorhanden bzw. werden geplant (12 von 13).
Das Ziel, Nachhaltigkeit wird im Unternehmen ausreichend kommuniziert (10 von 15) und Informationen und Seminare werden angeboten (13 von 14).
Nachhaltiges Verhalten der Mitarbeitenden wird aber nicht ausreichend belohnt (nur 4 von 14). In dieser Frage wünschen sich die verantwortlichen Gestalter von BüroArbeitswelten mehr Engagement durch die Unternehmen (9 von 14).
Über den Autor
Dieter Boch ist geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Arbeitsforschung und Organisationsberatung (iafob deutschland) und Leiter des internationalen Flexible.Office.Network., einem überbetrieblichen Forum für den Wissens- und Erfahrungsaustausch zur BüroArbeitswelt von Morgen. Als Dozent lehrte er an der Fachhochschule Salzburg und der Hochschule für Wirtschaft in Zürich Führungsverhalten und Future Work & Workplace Design. Der Diplom-Psychologe ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen und
Mitherausgeber der Buchreihe „Flexible Arbeitswelten“.