Zukunftsfähige Arbeitswelten: Wie wir New Work implementieren können

Derzeit stehen quasi alle Unternehmen vor der Herausforderung, NEW WORK zu implementieren. Doch wie? Noch wisse niemand so genau, wie sich die Arbeitswelt entwickeln wird, so liest man in vielen Veröffentlichungen.

NEW WORK ist seit Jahrzehnten in der Diskussion. Frithjof Bergmann, ehem. Ann Harbor University of Michigan, hat den Begriff „Neue Arbeit“ schon vor über 40 Jahren verwendet. Zentrale Werte der „Neuen Arbeit“ sind bei ihm Selbstständigkeit, Freiheit, Teilhabe an Gemeinschaft und Sinnhaftigkeit der Arbeit.

Wir wissen – spätestens seit der Pandemie, die die Entwicklungen beschleunigt hat – wie sich die Arbeitswelt verändern wird. Hybrides Arbeiten wird bestehen bleiben, denn diese Entwicklung gab es schon vorher. Damit aber Arbeit als ein Element des Lebens Spaß macht und die Methoden von New Work umgesetzt werden, gibt es noch viel zu tun.

Schon 2016 sagte Prof. Dr. Tatjana Schnell von der Universität Innsbruck auf der iafob deutschland Jahrestagung, dass 36 Prozent der Vorstandsmitglieder und sogar 72 Prozent der mittleren Manager einen Sinn in der Arbeit vermissen.

Sinnerfüllung sagt 66 Prozent des Arbeitsengagements vorher. „Denn zu arbeiten, etwas zu gestalten, sich selbst zu verwirklichen, liegt in der Natur des Menschen. Von neun bis fünf in einem Büro zu sitzen und dafür Lohn zu bekommen nicht“ (Richard David Precht: „Jäger, Hirten, Kritiker“, Goldmann Verlag, 2018).

NEW WORK: Eine Herausforderung für Unternehmen

Die Digitalisierung der Lebens- und Arbeitswelten wird unser gesellschaftliches Zusammenleben verändern, das laut Precht nur in den Griff zu bekommen ist, wenn die Weichen heute gestellt werden und wir unser Gesellschaftssystem konsequent verändern.

Schon vor der Pandemie haben wir über eine Veränderung, eine Neuorientierung unser Arbeitskultur diskutiert. Und viele Organisationen hatten auch schon davor hybride Arbeitsformen, Homeoffice, Arbeitszeit- und Arbeitsortflexibilität. Inzwischen ist Homeoffice, dort wo möglich, zur Normalität geworden.

Wir sprechen aber immer noch von zwei „Welten“, einer Lebens- und einer Arbeitswelt und dass die Grenze zwischen Arbeit und Privatleben verschwimmt. „Wo hört Arbeit auf, wo fängt Leben an?“  konnte man in einem Artikel der Zeitschrift CIO 2018 lesen.

Arbeit ist ein Teil des Lebens, der nicht vom restlichen Teil zu trennen ist. Wir haben diese Definition der Arbeit in den letzten zwei Jahrhunderten durch die Industrialisierung verlernt. Arbeit fand früher in einem Kontinuum aller Lebensbereiche statt, Arbeit war immer ein Teil des Lebens. Erst die Industriegesellschaft (ab 1774) hat die negativen Veränderungen gebracht, Arbeit als „Pflicht“ angesehen und unterteilt in Leben und Arbeit. Den Begriff Arbeitszeit gibt es beispielsweise erst seit gut 200 Jahren.

Heute haben wir Betriebsvereinbarungen, Regelungen z.B. zur effizienten Nutzung der IT und Videotechnik in hybriden Meetings. Eine Zusammenarbeit, eine Kooperation bedarf aber – im Sinne von NEW WORK – einer Begegnung auf Augenhöhe, der gegenseitigen Rücksichtnahme und dem Aufbau von Vertrauen. Die Selbst- und Mitbestimmung des Einzelnen erfordert ein Gleichgewicht zwischen organisationsgebundenen  Flexibilitätsanforderungen der Arbeit und den individuellen Flexibilitätsbedürfnissen im Privaten.

Gesellschaftliche Herausforderungen: Die Auswirkungen von Leistungsdruck und psychischer Gesundheit

Prof. Dr. Thomas Rigotti zeigt in seinem Interview zur iafob deutschland Jahrestagung 2018 auf, welche gesellschaftlichen Werte einer Umorientierung bedürfen. Der Leistungsbegriff werde beispielsweise überbetont, die aufgewendete Energie, aber vor allem die benötigte Zeit eher heruntergespielt. Mit fatalen Auswirkungen auf Gesundheit und Motivation.

Aktuell nehmen die Arbeitsausfälle wegen Depression, Angststörung und chronischer Erschöpfung laut dem Robert Koch Institut (RKI) massiv zu. Betrug die durchschnittliche Abwesenheit 2020 noch rund 33 Tage, so waren  es 2021 bereits 48 Tage  > 45 Prozent.

Bei psychischen Erkrankungen stieg der Anteil von Depression von 13 Prozent in 2021 auf 17 Prozent in 2022. In der Schweiz stieg die Zahl der stationären Spitalaufenthalte zwischen 2020 und 2021 wegen psychischer und Verhaltensstörungen bei Mädchen und jungen Frauen im Alter von 10 bis 24 Jahren um 26  Prozent, bei gleichaltrigen Männern um 6 Prozent (Bundesamt für Statistik, Bern). Zum ersten Mal waren psychische Störungen die häufigste Ursache für eine Hospitalisierung bei den 10- bis 24-Jährigen (19.532 Fälle).

Die Spitaleinweisungen aufgrund von Suizidversuchen nahmen in derselben Altersgruppe um 26 Prozent zu, die ambulanten psychiatrischen Leistungen im Spital um 19 Prozent. 9 Prozent der Gesamtbevölkerung leiden an Depressionen.

Lasst uns vom Sport lernen. Die einen schwärmen von ihrem tollen Team, wieviel Spaß die Zusammenarbeit macht und man sich deshalb täglich aufs Training freue, um mit den anderen gemeinsam spielen zu können und … sie werden Weltmeister.

Die anderen fordern in ihrem hierarchischen Verband, dass es wieder mehr Leistungsdenken geben müsse, es gäbe keinen Leistungswillen mehr und … sie scheiden in der Vorrunde eines Turniers aus.

Es geht nicht darum, „die nächste Weltmeisterschaft zu gewinnen“, Weltmarktführer zu werden, sondern Spaß bei der Arbeit zu haben, Spaß bei dem, was man tut, sich selbst zu verbessern, als Team zusammenzuarbeiten, dann stellen sich der (finanzielle) Erfolg, neue Ideen und Produktivität ganz von selbst ein.

Über den Autor

Dieter Boch, iafob deutschlandDieter Boch ist geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Arbeitsforschung und Organisationsberatung (iafob deutschland) und Leiter des internationalen Flexible.Office.Network., einem überbetrieblichen Forum für den Wissens- und Erfahrungsaustausch zur BüroArbeitswelt von Morgen. Als Dozent lehrte er an der Fachhochschule Salzburg und der Hochschule für Wirtschaft in Zürich Führungsverhalten und Future Work & Workplace Design. Der Diplom-Psychologe ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen und
Mitherausgeber der Buchreihe „Flexible Arbeitswelten“.

Die stille Epidemie des Sitzens: Wie die Shortbreak-App Pausen revolutioniert

Durchschnittlich 8,5 Stunden – so lange verbringen die Deutschen an einem typischen Werktag im Sitzen, wie der DKV-Report 2021 offenbart. Eine besorgniserregende Zahl, insbesondere wenn man bedenkt, dass über 54 Prozent der Europäer sogar täglich mehr als 4,5 Stunden sitzen. Dieser Lebensstil hat nicht nur physische, sondern auch psychische Auswirkungen.1

Die körperlichen Folgen des Sitzens sind vielfältig: Von Rückenbeschwerden über ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis hin zu Diabetes Typ 2. Mental führt das Sitzen zu erhöhtem Stress, verminderter Konzentration und Kreativität sowie einem allgemeinen Gefühl des Unwohlseins.

In Zeiten des Homeoffice wird die resultierende Herausforderung noch größer. Der Bewegungsradius zu Hause ist oft begrenzt und die Arbeitsumgebung nicht immer optimal.

Doch wie können wir dieser stillen Epidemie entgegenwirken?

Eine der Antworten auf diese wachsende Herausforderung könnte die Shortbreak-App liefern. Die Forschung hat gezeigt, dass stundenlanges Sitzen langfristig nicht nur hohe gesundheitliche Schäden verursachen kann, sondern auch durch Sport nach der Arbeit nicht vollends kompensiert werden kann.

Zum Glück gibt es ermutigende Erkenntnisse zu diesem Thema: Selbst sehr kurze Bewegungseinheiten von nur drei Minuten können bei regelmäßiger Wiederholung Rücken- und Nackenschmerzen lindern2 und das Sterberisiko um 40 Prozent sowie das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen um 49 Prozent senken.3

Genau mit diesem Ansatz wurde Shortbreak entwickelt. Mit kurzen “Bewegungssnacks” von drei Minuten, geleitet von zertifizierten Coaches, kann man sich bewegen, ohne wertvolle Zeit zu verlieren. Die Vorteile? Die App fördert die Konzentration, hält gesund und lässt dennoch genug Zeit für andere Aktivitäten. Gamification, individuelle Erinnerungen und über 100 abwechslungsreiche Bewegungspausen unterstützen maßgeblich beim Gewohnheitsaufbau.

Mit dem Ziel, eines Tages eine Million Menschen im Arbeitsalltag zu bewegen, bietet Shortbreak als App einen niederschwelligen Zugang für innovatives betriebliches Gesundheitsmanagement.

Die Implementierung solcher Maßnahmen erfordert jedoch ein Umdenken in Unternehmen.

Es beginnt mit der Sensibilisierung für das Problem. Mitarbeitende müssen über die Risiken des Sitzens aufgeklärt und über den Wert regelmäßiger Bewegung informiert werden. Die Arbeitsumgebung muss angepasst werden, um Bewegung zu ermöglichen. Und schließlich müssen Gewohnheiten geändert werden.

Mit Bewusstsein für das Problem, den richtigen Werkzeugen und einem Umdenken unterstützt Shortbreak Unternehmen dabei, diese Herausforderung zu meistern und mit der App eine Pause zu schaffen, die gut tut und Spaß macht.

Weitere Informationen finden Sie unter www.shortbreak.app

[spacer height=”20px”]

1 López-Valenciano, Mayo, et al. (2020). Changes in sedentary behaviour in European Union adults between 2002 and 2017.

2 Andersen LL, Saervoll CA, Mortensen OS et al. (2011) Effectiveness of small daily amounts of progressive resistance training for frequent neck/shoulder pain: Randomised controlled trial.

3 Stamatakis, et al. (2022) Association of wearable device-measured vigorous intermittent lifestyle physical activity with mortality.

Über den Autor

Jannis Rutschmann ist  Gründer der newcon GmbH und verbindet seinen fachlichen Hintergrund der Psychologie mit seiner Faszination für digitale Lösungen, um gesundheitliche Probleme anzugehen. Nach Abschluss seines Bachelorstudiums in Luxemburg studiert er aktuell im Master Psychologie in Trier mit Schwerpunkt auf Arbeits- und Organisationspsychologie.

 

Wellbeing – Unternehmensstrategie für langfristigen Erfolg

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Gesundheit als „Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen“.

Dieser Wandel der Sichtweise drückt sich beispielsweise auch darin aus, dass eine deutsche Krankenversicherung sich schon seit Jahren nicht mehr „Krankenkasse“ sondern „Gesundheitskasse“ nennt. In den aktuellen Veröffentlichungen zu diesem Thema wird nur noch von Wohlbefinden oder Wellbeing gesprochen.

Wellbeing – Erfolgsfaktor für Unternehmen

Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) wird zu Employee Wellbeing, eine neue Zielausrichtung der Gesundheitsförderung, die den Mitarbeitenden im Zentrum gesundheitsfördernder Massnahmen sieht. Nicht mehr nur Gesundheitsmassnahmen im Büro werden als Aufgabe des Betrieblichen Gesundheitsmanagements wahrgenommen. Die Erkenntnis, dass das Wohlbefinden einen messbaren Einfluss auf den Unternehmenserfolg hat, gewinnt in Unternehmen an Bedeutung.

Heute ist „Wellbeing“ (35 Prozent) in deutschen Unternehmen auf dem dritten Platz der HR-Prioritätenliste von Unternehmen. Davor liegen „Gewinnen und Halten von Talenten“ (62 Prozent) gefolgt von Innovationen (59 Prozent) (Quelle: AON Global Wellbeing Studie, 2022/2023).

In der Schweiz liegt „Wellbeing“ sogar auf Platz zwei. Davor findet sich nur noch das Thema „Fachkräfte gewinnen und halten“. Damit zeigt sich in der Schweiz die gleiche Rangfolge wie in Nordamerika. Im Jahr 2024 wird in den USA der Gesundheitssektor nach einer Studie des US-Bureau of Labor Statistics der größte Arbeitgeber der USA sein.

Gesundheit ist seit Beginn des 21. Jahrhunderts der wichtigste Motor für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung in den westlichen Industriestaaten. Der Gesundheitsmarkt gehört zu den größten Branchen der Welt.  So sind seit dem Jahr 2000 zwei Drittel der neuen Arbeitsplätze in den USA im Gesundheitssektor entstanden.

78 Prozent der deutschen Unternehmen geben an, Wellbeing-Initiativen zu planen. Bei 66 Prozent laufen bereits entsprechende Massnahmen. Allerdings bewerten nur 14 Prozent der Befragten ihr Employee Wellbeing mit der Note „sehr gut“ oder „gut“. 29 Prozent bewerten die gesundheitsfördernden Massnahmen ihres Unternehmens noch als „durchschnittlich“ oder „schlecht“. In Europa liegt die Bewertung mit 44 Prozent für „sehr gut“ oder „gut“ und weltweit mit 46 Prozent deutlich höher.

Wellbeing – Verantwortung fängt bei sich selbst an

Die ständige Anspannung, die viele in beruflicher wie privater Arbeit erleben, hat auch unmittelbare Konsequenzen für Wohlbefinden & Gesundheit.

Unvollständige Erholung ist ein Risikofaktor für kardiovaskuläre Mortalität (Kivimäki et al., 2006). Bei jedem vierten Angestellten kommt es häufig vor, dass er bei der Arbeit auf Pausen verzichtet (BiBB/BAuA). Im Vergleich klagen Beschäftigte, die häufiger auf Pausen verzichten, über mehr Kopfschmerzen und Beschwerden (DGB, 2016).

Wer hingegen mehr Urlaub macht, hat ein geringeres Mortalitätsrisiko (Gump & Matthews, 2000).

Nach einer Studie der Harvard University befinden wir uns beim langandauernden konzentrierten Denken in einer neurologischen Kontraktion, einer Anspannung des Nervensystems. Hält dieser (Denk-)Zustand über einen längeren Zeitraum an, haben wir nur 50 Prozent unserer neuronalen Zellen im Gehirn zur Verfügung (zitiert nach Prof. Froböse, Sporthochschule Köln).

Wir müssen das Faulenzen im Homeoffice wieder lernen. Wann ist also Feierabend für berufliche und private Arbeit?

Unser Gehirn braucht Erholung. Erholungserfahrungen hängen mit verschiedenen Indikatoren von Wohlbefinden und Gesundheit zusammen (Sonnentag & Fritz, 2007). So sagt das „Erholt-Sein“ nach dem Wochenende die Aufgaben- und kontextuelle Arbeitsleistung während der folgenden Woche vorher (Binnewies et al., 2010).

Auch die Erholung durch Pausen sagt Leistung nach der Pause vorher (Trougakos et al., 2008).

Machen wir also Pause: Pause vom beruflichen wie privaten Arbeiten – dann gelingt die Arbeit auch nach der Pause mit weniger Energie und wir haben auch mehr Ideen.

Was macht eine erfolgreiche Erholung aus?

  • Abschalten von der beruflichen wie privaten Arbeit
    Wir sollten versuchen, Abstand von den Gedanken zu gewinnen, die uns durch kognitive Defusion immer wieder zur Arbeit einfallen.
  • Entspannung (Yoga, Powernapping)
    Bereits zehn Minuten Schlaf reichen zum Ausruhen des vegetativen Nervensystems. Die kleine Schlafpause dient dazu, den Körper zu entlasten, Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit zu erhöhen, Stress abzubauen. Im Übergangsbereich zwischen Schlafen und Wachsein (nach innen gerichtetes Bewusstsein) sind Alpha-Wellen (7 – 14 Hertz) aktiv, die in erhöhtem Masse Erinnerungen und Erfahrungen im Gedächtnis aktivieren und verarbeiten. Dabei können sich kreative Ideen entwickeln.
  • Mastery-Erlebnisse
    Wir sollten Aktivitäten oder Aufgaben durchführen, die bisher gut gelungen sind und bei denen wir uns hinterher kraft- und energievoll gefühlt haben. Durch solche „Mastery-Erlebnisse“ machen wir die Erfahrung, etwas zu meistern. Wir erleben uns als kompetent und erfolgreich.
  • Kontrolle
    Wir sollten Rituale einführen und einhalten und Aktivitäten zeitliche festsetzen und begrenzen.

Wellbeing und hybride Arbeit

Viele vermischen im Homeoffice Privates und Berufliches. Das löst Stress aus. Denn eine Pause bei der beruflichen Arbeit ist nicht dazu da, schnell mal „zwischendurch“ Wäsche zu waschen oder das Essen vorzubereiten.

Die zunehmende Selbstorganisation bei hybrider Arbeit geht mit mehr Verantwortungsübernahme einher. Wenn Mitarbeitende Verantwortung für Arbeitsergebnisse übernehmen, gehen sie phasenweise über ihre Leistungsgrenzen hinaus. Das Modell freier Selbstverantwortung birgt Gefahren. Viele Mitarbeitende haben das alte Nine-to-five-Schema lediglich gegen eine zermürbende 24/7-Verfügbarkeit eingetauscht. Freiheit und Flexibilität braucht harte Grenzen.

Wellbeing ist ein wichtiges Handlungsfeld für die strategische Ausrichtung des Unternehmens. Es hat eine physische, emotionale und soziale Komponente, aber auch eine finanzielle Dimension.

Schon 2010 hat ein nordamerikanisches Unternehmen nach Berechnungen einer Studie der University of Michigan in neun Jahren 4,8 Millionen Dollar eingespart durch die Reduzierung der Ausfalltage (ergonomische Büromöbel, Betriebssport, Gesundheitsvorsorge-Untersuchungen).

Wieviel mehr könnte heute eingespart werden, da die durchschnittliche Abwesenheit von rund 33 Tagen im Jahr 2020 auf rund 48 Tage im Jahr 2021 in Deutschland angestiegen ist (Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage, 2023)?

Mentale und emotionale Gesundheitsschäden sind der Hauptgrund für diesen Anstieg. Arbeitsausfälle wegen Depression, Angststörungen und chronische Erschöpfung haben in den letzten Jahren massiv zugenommen. Die Zahl der Krankheitstage aufgrund psychischer Erkrankungen hat 2021 in Deutschland einen Höchstwert von 126 Millionen erreicht.

Und das, obwohl in dieser Zeit viele Mitarbeitende im Homeoffice waren. Gesunde Arbeitsbedingungen im Büro sind nicht ausreichend für Gesundheit im Job.

In einer Studie des Instituts für Betriebliche Gesundheitsberatung (2023), in der mehr als 1.000 Unternehmen und Organisationen des Öffentlichen Dienstes in Deutschland befragt wurden, gaben 40 Prozent an, dass Belastungen wie Burnout, Überforderung und Depression die häufigste Krankheitsursache für Arbeitsausfall sind und weiter zunehmen werden.

Dabei sollte doch Homeoffice die „Work-Life-Balance“ verbessern. Antwort gibt eine Studie der Zeag GmbH (2023), in der 41 Prozent der Mitarbeitenden sich durch die Arbeit im Homeoffice in einer „ungesunden bzw. gesundheitsbedrohlichen Situation“ sehen.

Begeisterung und Kreativität sind  der Treibstoff, Wellbeing ist die Grundvoraussetzung für optimale Arbeitsergebnisse. Wir müssen die Arbeitsbedingungen – auch im Homeoffice – so gestalten, das physische und psychische Beanspruchungen nicht zu Leistungsabfall und mangelndem Wohlbefinden führen.

 

Weitere Veröffentlichungen von iafob deutschland zum Thema WOHLBEFINDEN:

Hybrides Arbeiten: Wie Mitarbeitende, Unternehmen, Umwelt und Gesellschaft davon profitieren

Was hat das Streben nach Gesundheit mit der Zukunft des Büros zu tun?

Welche Auswirkungen hat das Homeoffice auf die Gesundheit?

Über den Autor

Dieter Boch, iafob deutschlandDieter Boch ist geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Arbeitsforschung und Organisationsberatung (iafob deutschland) und Leiter des internationalen Flexible.Office.Network., einem überbetrieblichen Forum für den Wissens- und Erfahrungsaustausch zur BüroArbeitswelt von Morgen. Als Dozent lehrte er an der Fachhochschule Salzburg und der Hochschule für Wirtschaft in Zürich Führungsverhalten und Future Work & Workplace Design. Der Diplom-Psychologe ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen und
Mitherausgeber der Buchreihe „Flexible Arbeitswelten“.

 

Workation – Arbeiten, wo andere Urlaub machen

Mallorca, London, Fuerteventura – wer träumt nicht davon, dort zu arbeiten, wo andere Urlaub machen. Work und Vacation in einem. Workation statt Büro.

Immerhin 40 Prozent derjenigen, die es theoretisch „könnten“, haben es bereits ausprobiert und an Orten im Ausland gearbeitet, die sonst eher Anlaufpunkt für Urlauber sind. Dies ist das Ergebnis einer Befragung von PwC unter 1.000 Arbeitnehmenden, die ortsunabhängig arbeiten „können“.

Hybrides Arbeiten ist inzwischen selbstverständlich geworden. Viele wollen dabei die freie Wahl des Arbeitsortes und deren Vorzüge nicht aufgeben, sie wollen selbst bestimmen – und zwar nicht nur wann, sondern auch wo sie arbeiten.

Workation: Eine Betrachtung des Ist-Zustands

Unsere eigene Befragung im September 2022 ergab, dass 100 Prozent der Mitarbeitenden zukünftig (auch) im Homeoffice arbeiten möchten. 57 Prozent sagen, sie könnten sich vorstellen, dabei an Familienorten wie einem Ferienhaus oder bei den Eltern oder Großeltern zu arbeiten. 44,6 Prozent glauben, dass sie zukünftig auch an Urlaubsorten, vorzugsweise im Süden, arbeiten möchten.

Die Grenzen zwischen Arbeit (Work) und Urlaub (Vacation) verschwimmen zunehmend. Daher bieten auch immer mehr Unternehmen ihren Mitarbeitenden die Möglichkeit an, eine Workation einzulegen.

Sopra Steria, Otto, die Allianz, Philip Morris, Melitta, Continental oder Adidas erlauben inzwischen das Arbeiten aus dem Ausland (Quelle SZ, 25.03.2023). Otto war eines der ersten Unternehmen, die Workation erlaubten. 128 Mitarbeitende nutzten seit Oktober 2022 diese Möglichkeit. Bei Continental können Mitarbeitende bis zu 20 Tage in je zwei Ländern in der EU arbeiten, also 40 Tage. Sopra Steria erlaubt 21 Tage. Bei Adidas sind es zehn Tage im Jahr. Warum diese Beschränkungen?

Die Grenzen von Workation

Die rechtlichen Hürden für Workation sind hoch. Unternehmen müssen eine Vielzahl rechtlicher Vorschriften beachten. Hanna Kranz, HR Business Partnerin, Mitglied der Arbeitsgruppe Future Work und Workstreamlead Workflexibility bei Sopra Steria in Hamburg stellte dies in einem Workshop des flexible.office.network. genauer dar.

Hanna Kranz, Sopra Steria

Es sind die Regelungen der Sozialversicherung, die Gesetze des Arbeitsrechts, Melderechts, Steuerrechts und des Aufenthaltsrechts, die zu Beschränkungen führen. Deshalb erlauben die meisten Unternehmen auch nur Workation innerhalb Europas.

Die Sozialversicherung sei die größte Hürde, so Hanna Kranz. Die Regelungen sind dabei sehr unterschiedlich, auch in EU-Europa.

Aber dürfen eigentlich alle Mitarbeitenden Workation machen?

Selbstverständlich muss die Führungskraft zustimmen, denn das Team muss effizient arbeiten können. Andererseits muss der Mitarbeitende versichern, dass er seinen Erstwohnsitz in Deutschland behält, er an deutschen Feiertagen nicht arbeitet, keine Verträge im Ausland unterschreibt und weiterhin nur für seinen Arbeitgeber arbeitet. Auch muss er das Arbeitsrecht des jeweiligen Landes beachten und muss sich beispielsweise an die vor Ort erlaubten Arbeitsstunden pro Woche halten.

Auch das Steuerecht spielt eine Rolle, z.B. wenn Mitarbeitende Aufgaben für das Land wahrnehmen, in dem sie Workation machen. Dann wird nämlich das „Workation-Büro“ zur Betriebstätte des Unternehmens. Da einigen Unternehmen dies zu kompliziert ist, verzichten sie auf das offizielle Angebot einer Workation. Inoffiziell wird es dennoch gemacht: 14 Prozent geben in der PWC-Befragung an, ihrem Arbeitgeber nicht gesagt zu haben, dass sie einfach ins Ausland reisen und sich von dort aus in ihre Videokonferenzen mit einem neutralen Hintergrund einloggen. Häufig ist zumindest ihre Führungskraft informiert.

Workation – aber wie?

Eine Workation-Location zu finden, die eine entsprechende Möblierung und IT-Ausstattung bietet, um als Ersatzbüro zu dienen, ist nicht schwer. Hotels und Anbieter von Ferienwohnungen – meist in Spanien – ergänzen ihre Ausstattungen inzwischen um Schreibtisch, Bürostuhl. Eine schnelle Internetverbindung und WiFi sind meist bereits vorhanden.

Der Reisekonzern TUI bietet inzwischen sogar entsprechende Workation-Unterkünfte an. Bevorzugte Arbeitsorte sind oft auch die meist in größeren Orten vorhandenen Coworking-Spaces. Anders als bei Homeoffice-Vereinbarungen gibt es aber keine Regelung, dass der Arbeitgeber Kosten für die Workation übernimmt. Bezahlen muss der Mitarbeitende seinen Auslandsaufenthalt selbst, denn es ist ja auch Urlaub.

Wer kann und will Workation nutzen?

Genau wie das Homeoffice ist Workation nicht für jede Funktion und in jeder Lebenssituation möglich. 2021 gab es in Deutschland 18,9 Millionen erwerbstätige Frauen und 21,4 Millionen erwerbstätige Männer. In der Schweiz waren es 2,33 Millionen Frauen und 2,76 Millionen Männer.

Der Wertewandel bestimmt unser ganzes Leben. Das „Arbeits“-Leben wird angepasst an die Bedürfnisse des Lebens und nicht umgekehrt. Jede Stunde, die man mit Arbeit verbringt, ist eine Stunde weniger für Familie, Partnerschaft, Freizeit. Wer schulpflichtige Kinder hat, dem wird Workation nicht gelingen. Auch sollte der Partner/die Partnerin mitkommen wollen und von ihrem Arbeitgeber her dürfen bzw. er/sie kann einer zeitweisen Trennung zustimmen. Manchmal ist eine zeitlich befristete Fernbeziehung hilfreich für das Zusammenleben/-arbeiten, aber manchmal führt es auch zur Entfremdung.

Daher wird Workation wohl auch zukünftig eine Randerscheinung bleiben.  Nicht mehr als zehn Prozent aller Büroarbeitenden werden es voraussichtlich nutzen (können). Allerdings wünschen sich 25 Prozent der 18- bis 34-Jährigen diese Möglichkeit (Yougov-Befragung). Es ist also auch ein wichtiges Recruiting-Argument, Urlaub und Arbeit verbinden zu dürfen.

Was sind nun aber die Vorteile von Workation? Gelingt es, Urlaub zu machen und gleichzeitig produktiv zu arbeiten?

Otto wirbt auf seiner Website mit Workation als einem Weg zu einer besseren Life-Domain-Balance. Lässt sich die Arbeit und Privates besser gestalten? Schon aus den Homeoffice-Erfahrungen wissen wir, dass im Homeoffice nicht weniger gearbeitet wird, sondern effizienter und damit auch produktiver.

Man darf nicht die Aufgaben der einzelnen Lebensbereiche miteinander (zeitlich) vermengen, man muss sie konsequent (zeitlich) trennen. Eine Vermengung der Aufgaben führt zu mehr Stress, denn dann ist man immer in der Situation, an das zu denken, was man gerade nicht tut. Man kann also Urlaub und Arbeit miteinander verbinden, wenn man beides konsequent trennt. Wer bisher (im Homeoffice) gelernt hat, Freizeit, Hausarbeit, Familienarbeit, partnerschaftliches Verhalten und Arbeit zu trennen, dem wird es gelingen. Jeder Schritt zu mehr Flexibilisierung erfordert mehr Spielregeln zwischen allen Beteiligten und zwingt den Einzelnen zur Schaffung und Einhaltung von Ritualen. Dann gelingt das stressfreie Abschalten, das am Strandliegen, das Wandern in den Bergen, aber auch das produktive Arbeiten.

Über den Autor

Dieter Boch, iafob deutschlandDieter Boch ist geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Arbeitsforschung und Organisationsberatung (iafob deutschland) und Leiter des internationalen Flexible.Office.Network., einem überbetrieblichen Forum für den Wissens- und Erfahrungsaustausch zur BüroArbeitswelt von Morgen. Als Dozent lehrte er an der Fachhochschule Salzburg und der Hochschule für Wirtschaft in Zürich Führungsverhalten und Future Work & Workplace Design. Der Diplom-Psychologe ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen und 
Mitherausgeber der Buchreihe „Flexible Arbeitswelten“. 

Umfrage: Wie sieht die BüroArbeitswelt der Zukunft aus?

Wo wollen wir in Zukunft arbeiten? Welche Arbeitsbedingungen sollten Unternehmen schaffen, damit Mitarbeitende gern ins Büro kommen? Und wer sollte darüber entscheiden, von wo wir arbeiten? Das wollten wir in einer Umfrage wissen. Hier die Ergebnisse. 

Nach Ende der Homeoffice-Pflicht und dem Wegfall der meisten Pandemie-bedingten Einschränkungen sollen und wollen viele wieder zurück ins Büro. Andere wollen die freie Wahl des Arbeitsortes und deren Vorzüge nicht aufgeben.

Wir haben vier Szenarien in Anlehnung an eine Veröffentlichung des Fraunhofer Institut für Arbeitswissenschaft und Organisation entwickelt, wie das Büro in Zukunft aussehen könnte. Eine eindeutige Antwort weiß heute noch niemand. Um uns jedoch der Antwort zu anzunähern, haben wir die vier Szenarien mit Ausprägungsmerkmalen beschrieben.

Die vier Szenarien:

  • „Selbstbestimmte freie Ordnung“
    das zukünftige BüroArbeits-Modell ermöglicht eine höchstmögliche Flexibilität.
  • „Unternehmensort vs. Lebensort“
    Mitarbeitende leben und arbeiten nicht nur in der (teuren) Stadt, sondern gesund auf dem Land (oder an einem anderen Ort ihrer Wahl) und kommen nur noch selten ins Unternehmensoffice (Büro). 
  • „Zurück oder vorwärts ins Büro“
    die Arbeitsbedingungen sind gesetzlich oder betriebsrechtlich so reguliert, dass Wahlmöglichkeiten wie Homeoffice erschwert werden oder (wieder) wegfallen und Mitarbeitende ins Unternehmensoffice kommen müssen.
  • „Bürogestaltung als Abbild der Bedürfnisse aller”
    Mitarbeitende können auch im Unternehmensoffice bestimmen, wie ihre Bedürfnisse für die Gestaltung des Arbeitslebens befriedigt werden. Dafür beschäftigt das Unternehmen Coaches, Feel-Good-Manager:innen, Kurator:innen o.ä., die den Mitarbeitenden bei der Umsetzung ihrer Wünsche helfen.

Wie also wünschen sich die Menschen ihre Arbeitswelt in Zukunft? Soll die Arbeit weiterhin ein fest umrissener, vom Privatleben getrennter Raum sein? Oder wird das Büro immer mehr zu einem Ort, an dem sich bezahlte Beschäftigung und Freizeit vermischen?

„Selbstbestimmte freie Ordnung“

In diesem Szenario zählt höchstmögliche Flexibilität. Doch wo wollen Mitarbeitende eigentlich arbeiten? Die Antworten der Befragten:

Eines steht fest: Das Homeoffice wird wohl in Zukunft als integrativer Teil der Arbeitswelt bestehen bleiben. Alle Befragten, also 100 Prozent, denken, dass Mitarbeitende zukünftig (auch) im Homeoffice arbeiten möchten. 91 Prozent gehen davon, dass das Unternehmensoffice als Arbeitsort der Wahl bestehen bleibt. Danach folgen etwas abgeschlagen mit 56 Prozent Familienorte wie ein Ferienhaus oder ein Arbeitsplatz bei den Eltern oder Großeltern, danach mit 51 Prozent Coworking Spaces. 43 Prozent glauben, dass Menschen zukünftig auch an Urlaubsorten (Stichwort „Workation“) arbeiten möchten.  Freizeitorte wie Café, Schwimmbad oder auf Reisen sind mit 29 Prozent noch relativ attraktiv aus Sicht der Befragten.

Abb. 1: Antworten auf Szenario “Selbstbestimmte freie Ordnung” – Arbeitsort (grafische Darstellung)

Abb. 2: Antworten Szenario “Selbstbestimmte freie Ordnung” – Arbeitsort (in Prozent)

 

Heißt: Flexibles Arbeiten wird unsere zukünftige BüroArbeitswelt bestimmen. Nach Meinung der Befragten wird es für die Wahl des Arbeitsortes zukünftig kaum Beschränkungen geben.

Doch wer sollte in Zukunft entscheiden, wann und von wo Mitarbeitende arbeiten (dürfen)?

Hier ergab die Umfrage eine klare Präferenz: Entscheiden sollte das Team (81 Prozent), ggf. auch in Abstimmung mit der Führungskraft (69 Prozent). Unternehmensvorgaben als oberste Prämisse befürworten 59 Prozent der Befragten. Den kompletten Alleingang – also eine Entscheidung ohne Abstimmung – sehen die wenigsten als wahrscheinlich an: nur 8,8 Prozent sind der Meinung, dass Mitarbeitende allein entscheiden sollten.

Abb. 3: Antworten auf Szenario “Selbstbestimmte freie Ordnung” – Entscheidungsträger (grafische Darstellung)
Abb. 4: Antworten auf Szenario “Selbstbestimmte freie Ordnung” – Entscheidungsträger (in Prozent)

 

Unternehmensort vs. Lebensort

In diesem Szenario zieht es Mitarbeitende verstärkt raus aus den meist teureren Städten aufs günstigere und auch gesündere Land. Menschen kommen daher nur noch selten ins Büro.

Doch welche Anreize und Zusatzleistungen könnten es Mitarbeitenden erleichtern, ins Unternehmensoffice zu kommen? Was sollten Unternehmen bieten, um Menschen zurück ins Büro zu holen?

Unsere Umfrage zeigt: Finanzielle Unterstützung für den Arbeitsweg würden die meisten goutieren. 72 Prozent der Befragten könnten sich vorstellen, dass kostenlose oder reduzierte Tickets für Fahrten ins Büro Mitarbeitende eher dazu animieren, ins Unternehmensoffice zu kommen.

Fast gleichauf dahinter liegen unentgeltliches gesundes Essen im Unternehmen (61,5 Prozent) und Betreuungsangebote bzw. die Vermittlung von Betreuungsmöglichkeiten für Erziehung und Pflege (60 Prozent). Noch für rund ein Drittel der Befragten wären Arbeitsplätze in Coworking Spaces in der Peripherie der Stadt (42 Prozent), Fitness- und Gesundheitskurse (34 Prozent), Sportangebote (28 Prozent) und Übernachtungsmöglichkeiten am Büro-Standort (28 Prozent) und interessant.

Abb. 6: Antworten auf Szenario “Unternehmensort vs. Lebensort” (in Prozent)
Abb. 7: Antworten auf Szenario “Unternehmensort vs. Lebensort” (in Prozent)

Zurück oder vorwärts ins Büro

Dieses Szenario befasst sich mit der Idee, dass Wahlmöglichkeiten für Homeoffice erschwert werden oder (wieder) wegfallen und Mitarbeitende ins Unternehmensoffice kommen müssen.

Doch was könnten Unternehmen bieten, damit Menschen möglichts engagiert und motiviert ins Büro zurückkehren?

Hier sind sich die Befragten einig: 91 Prozent sind der Meinung, dass attraktive und großzügige Büros zur Verfügung stehen sollten Funktionale Möbel, farblich ansprechend gestaltete Wände, eine angenehme Atmosphäre mit Pflanzen, Beleuchtung und guter Akustik – all das würde dazu beitragen, gern ins Büro zu kommen.

Drei Viertel der Befragten (75 Prozent) plädieren zudem für frei wählbare Arbeitsplätze, gefolgt von einer IT, die State-of-the-Art ist (72 Prozent).

Dahinter folgen Benefits wie Duschen, Umkleideräume und Schließfächer (57 Prozent), viel Fläche für Ruhezonen im Büro (47 Prozent) und attraktive Außenanlagen, die genutzt werden dürfen (46 Prozent).

Für weniger relevant halten die Befragten ein großes Angebot an sozialen, nicht arbeitsbezogenen Kontakten (30 Prozent) oder ein multifunktionales Gebäude mit Büros, Restaurants, Arztpraxen usw. (19 Prozent).

Abb. 8: Antworten auf Szenario “Zurück oder vorwärts ins Büro” (grafische Darstellung)
Abb. 9: Antworten auf Szenario “Zurück oder vorwärts ins Büro” (in Prozent)

Bürogestaltung als Abbild der Bedürfnisse aller

In diesem Szenario können Mitarbeitende auch im Unternehmensoffice aktiv dabei mitwirken, wie das Arbeitsleben gestaltet wird. Die Bedürfnisse des Lebens bestimmen die räumliche und zeitliche Gestaltung, die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit ist weitgehend aufgehoben. Feel-Good-Manager:innen, Coaches oder Kurator:innen helfen Mitarbeitenden bei der Umsetzung ihrer Wünsche und sorgen dafür, dass individuelle Bedürfnisse auch im Arbeitsumfeld eine große Rolle spielen.

Hier spielt das Thema Nachhaltigkeit die größte Rolle. Drei Viertel der Befragten denken, dass alle Materialien und Betriebsabläufe auf Nachhaltigkeit ausgerichtet sein sollten (74 Prozent). Darüber hinaus herrscht eher Uneinigkeit bei der Frage, welche Aktivitäten oder Leistungen für die Bürogestaltung gewünscht sein könnten.

Permanent zur Verfügung stehende Handwerksräume (14 Prozent), Räume zum privaten und geschäftlichen Feiern (14 Prozent) und Raum zum Musizieren und künstlerischen Gestalten (5 Prozent) wünschen sich die wenigsten. Schon etwas mehr Zustimmung erfahren der Anbau von Obst und Gemüse sowie das Halten von Bienen in den Außenanlagen (34 Prozent) oder die Ausstattung des Arbeitsplatzes mit einem „Daheim“-Gefühl (34 Prozent).

Abb. 10: Antworten auf Szenario “Bürogestaltung als Abbild der Bedürfnisse aller” (grafische Darstellung)Abb. 11: Antworten auf Szenario “Bürogestaltung als Abbild der Bedürfnisse aller” (in Prozent)

 

Fazit

Auch wenn alle Szenarien erstmal theoretische Konstrukte sind, lassen sich aus ihnen doch Ableitungen für die Arbeitswelt treffen.

So steht für die Befragten fest, dass Homeoffice und Büro in Zukunft Hand in Hand gehen werden. Ein attraktives Büro wünschen sich Mitarbeitende ebenso wie Zusatzleistungen wie kostenfreies Essen oder Fahrtkostenunterstützung.  

Nachhaltigkeit bei allen Materialien und im Betriebsablauf ist die wichtigste Forderung für die Bürogestaltung. Die übrigen Wünsche der Mitarbeitenden sind sehr vielfältig. In Zeiten des Arbeitskräftemangels insbesondere von hochqualifizierten Spezialisten sind Wünsche z.B. nach Handwerksräumen mit über 10 Prozent schon sehr relevant und zu beachten.

Über den Autor

Dieter Boch ist geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Arbeitsforschung und Organisationsberatung (iafob deutschland) und Leiter des internationalen Flexible.Office.Network., einem überbetrieblichen Forum für den Wissens- und Erfahrungsaustausch zur BüroArbeitswelt von Morgen.

Als Dozent lehrte er an der Fachhochschule Salzburg und der Hochschule für Wirtschaft in Zürich Führungsverhalten und Future Work & Workplace Design.

Der Diplom-Psychologe ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen und 
Mitherausgeber der Buchreihe „Flexible Arbeitswelten“. 

Welche Auswirkungen hat das Homeoffice auf die Gesundheit?

Im Homeoffice ist jede:r selbst für Wohlbefinden und Gesundheit verantwortlich. Doch welche Auswirkungen hat Langzeit-Homeoffice eigentlich auf unsere Gesundheit? Bekommen wir im “Zuhause-Büro” die nötige Erholung und wie empfinden wir Stress? 

Dr. Milena Wütschert hat in ihrer Dissertation am Lehrstuhl Arbeits- und Organisationspsychologie der Universität Bern untersucht, wie sich der ständige Aufenthalt im Homeoffice auf unsere Gesundheit auswirkt – ein Thema, das durch die COVID-19-Pandemie an Bedeutung gewonnen hat.

Wenn wir uns die aktuellen Zahlen vom Bundesamt für Statistik (2021) zur Entwicklung der Teleheimarbeit in der Schweiz anschauen, dann ist ersichtlich, dass vor der COVID-19 Pandemie die Teleheimarbeitsquote 24,6 Prozent betrug und während der Pandemie die Quote auf 34,1 Prozent stieg.

Interessant: Personen, die mehr als 2,5 Tage Teleheimarbeit tätigen, sind nach wie vor die Minderheit. Während 2001 die Teleheimarbeitsquote unter 1 Prozent lag, ist sie im Jahr 2020 auf 4,3 Prozent gestiegen.

Privatsphäre im Homeoffice: Ein unerforschtes Feld

In der Arbeits- und Organisationspsychologie ist Homeoffice sehr gut erforscht, was beispielsweise Arbeitsleistung oder Arbeitszufriedenheit betrifft. Die Arbeitsplatzgestaltung sowie die wahrgenommene Privatsphäre in der häuslichen Umgebung auf die physische und psychische Gesundheit wurden bisher kaum untersucht. Eigentlich ist es eigenartig, obwohl man gerade davon ausgehen kann, dass die Privatsphäre in der häuslichen Umgebung sich von der in den traditionellen Büros klar unterscheidet, gibt es nahezu keine Forschung zu diesem Thema.

Schon Aristoteles erwähnte das Konzept der Privatsphäre. Er war der Meinung, dass jeder Mensch das Recht auf Rückzug hat. Auch heute noch wird die Privatsphäre meist mit Störung in Verbindung gebracht. Im Prinzip ist es die wahrgenommene Kontrolle über die Außenreize. Privatsphäre wird eingeteilt in akustische und visuelle Privatsphäre sowie Zugangs- und Verhaltenskontrolle.

Es kann angenommen werden, dass jeder Mensch ein Bedürfnis nach Privatsphäre hat. Wie stark ausgeprägt dieses Bedürfnis ist, ist je nach Person unterschiedlich. Ob im Homeoffice oder im Büro: Ein längerfristiger Mangel an Privatsphäre sprich Lärm, Ablenkung und das Gefühl beobachtet zu werden, beeinflusst die Gesundheit negativ.

Mentale Loslösung vom Beruf: Eine notwendige Erholung

Privatsphäre wird in der Literatur häufig mit Rückzug sowie Ruhe in Verbindung gebracht. Als Arbeitspsychologin verbinde ich Rückzug auch mit dem Begriff «Psychological Detachment». Dabei geht es um die psychische Loslösung von der Arbeit, soll heissen: während der arbeitsfreien Zeit eben nicht an die Arbeit zu denken, sondern sich mental als auch körperlich zu erholen. Ressourcen auffüllen.

Doch wenn die mentale Loslösung von der Arbeit nicht gelingt, beeinträchtigt das unseren Erholungsprozess und somit unsere Gesundheit.

Heute ist das aber kaum noch möglich. Oft sind wir auch nach Feierabend oder gar am Wochenende mental noch bei der Arbeit. Manchmal erscheint sogar der Eindruck, das gehört zum guten Ton. Da wird man schon fast komisch angeguckt, wenn man mal sagt: „Ah gestern? Gestern habe ich nichts gemacht.“

Doch wenn die mentale Loslösung von der Arbeit nicht gelingt, beeinträchtigt das unseren Erholungsprozess und somit unsere Gesundheit. Meine Forschung zeigt eindeutig, dass eine hohe Privatsphäre im Homeoffice dazu führt, das sich Arbeitnehmende gedanklich besser von der Arbeit loslösen können und sich die Schlafqualität verbessert.

Doch was hält uns davon ab, uns zu erholen?

Da wären wir beim sogenannten Erholungsparadoxon. Arbeitnehmende, die durch die ständige (digitale und mentale) Konnektivität mit der Arbeit verbunden sind, tendieren eher dazu, auch in der Freizeit zu arbeiten. Es ist also ein hoher Erholungsbedarf da, aber diesem Bedürfnis tatsächlich nachzukommen ist paradoxerweise gering.

Daher: Sich von der Arbeit zu erholen ist heute eine Kunst. Bei Spitzensportlerinnen und -sportlern leuchtet es allen ein, dass deren Körper und Geist Erholung brauchen, und dass Erholung ein Leistungsfaktor ist. Bei anspruchsvoller Büroarbeit ignorieren wir diesen Faktor, dort halten wir es mehr wie mit dem Ovomaltine-Slogan: Nicht besser, aber länger.

Ein veränderter Blick auf die Privatsphäre

Die Privatsphäre hat uns verändert und wird auch gegenwärtig eine Rolle spielen. Die Rückkehr ins Büro kann daher herausfordernd sein, weil wir uns durch die Corona-bedingten Massnahmen und Homeoffice an eine erhöhte Privatsphäre mit Abstand gewöhnt haben. Das muss nicht per se schlecht sein.

So reflektieren wir vielleicht Privatsphäre, Rückzug, Ruhe und die psychologische Loslösung von der Arbeit anders. Gehen zwar mit dem Strom der neuen Arbeitswelt mit, setzen uns aber eben bewusste Erholungs- und Rückszuganker. Im Sinne unserer psychischen und physischen Gesundheit wäre dies sehr wünschenswert ganz nach dem Motto: don’t get harder, get smarter.

Über die Autorin

Dr. Milena Sina Wütschert, Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule für Angewandte Psychologie FHNW,

Milena Sina Wütschert forscht am Institut für Psychologie der Universität Bern, Abteilung Arbeits- und Organisationspsychologie, sowie an der Hochschule für Angewandte Psychologie der Fachhochschule Nordwestschweiz über gesundheitsförderliche Arbeitsgestaltung in der neuen Arbeitswelt.

Mit ihrer Dissertation über die Arbeitsbedingungen im Homeoffice und den Einfluss moderner Büroraumkonzepte auf die Gesundheit («New Ways of Working: Some consequences of the new world of work on stress experience and occupational health») hat sie vergangenes Jahr an der Uni Bern die Doktorwürde erlangt.

Hybrides Arbeiten bringt Nachhaltigkeit und Kosteneinsparungen

Nachhaltigkeit und Kosteneinsparung iafob deutschland

Von hybridem Arbeiten, zeitweise im Homeoffice und zeitweise in gemeinschaftlich genutzten Arbeitsräumen, können jeder Einzelne, die Gemeinschaft und die Umwelt profitieren.

Vorteile für Mitarbeitende

Das hybride Arbeiten bringt zahlreiche Vorteile für Mitarbeitende.  Da der Arbeitsweg öfter entfällt, bleibt ihnen mehr Zeit, um Arbeit und private Verpflichtungen, Arbeit und gesundheitliche Bewegung, Arbeit und Partnerschaft, Arbeit und Kinder, also die anderen Lebensbereiche besser miteinander zu vereinbaren, in Balance zu bringen.

Das hybride Arbeiten hilft auch jedem Mitarbeitenden Ressourcen einzusparen. Durch mobile Arbeit seien „enorme Einsparpotenziale in Bezug auf CO2, Fahrtzeit, Spritkosten und Abnutzung des Autos zu erwarten“, steht in einem Gutachten des Instituts für angewandte Arbeitswissenschaft (ifaa). Da die Mehrheit der Arbeitnehmer:innen das Auto als Verkehrsmittel nutzt, um zur Arbeit zu fahren (knapp 68 Prozent), kann jeder hybrid Arbeitende auch einen Beitrag zum Klimaschutz beitragen, wenn der Arbeitsweg öfter entfällt.

Im Jahr 2016 lag die durchschnittliche Pendelentfernung in Deutschland bei rund 17 Kilometern (Statistisches Bundesamt). 87 Prozent benutzen den PKW für 34 km/Tag. Dadurch kann sowohl in ländlichen Regionen wie auch in Ballungsgebieten der CO2-Ausstoß deutlich verringert werden. Laut des Gutachtens des ifaa wären das bei nur einem Tag Homeoffice pro Woche schon 2,1 Milliarden kg CO2 pro Jahr weniger. Davon wird die Umwelt profitieren.

Bäume im Sommer
Foto: Emma K. Boch

Vorteile für Arbeitgebende

Auch in den gemeinschaftlich genutzten Arbeitsräumen = Büro können Ressourcen geschont und damit Kosten ganz unmittelbar eingespart werden, weil weniger teure Bürofläche benötigt wird. Einer PwC-Studie zufolge lohnt sich das sogar schon ab einer Reduktion von nur acht Prozent.

PwC Studie: Mehr Home – weniger Office, wann sich eine Flächenoptimierung für Nutzer rechnet.  Befragung von über 100 Unternehmen verschiedener Branchen, Oktober 2020.

Wenn zehn Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland einen Tag in der Woche von zu Hause arbeiten würden, könnten rund 4,5 Milliarden Kilometer an Pendlerstrecke und etwa 850 Millionen Kilogramm C02 pro Jahr eingespart werden. Bei 20 Prozent wären es schon 1,7 Milliarden Kilogramm.“ 

Doch das hybride Arbeitsmodell bringt auch einige Herausforderungen mit sich, damit die Vorteile auch wirklich gegeben sind. Es braucht dazu ein leistungsfähiges und zentrales Buchungssystem, um die Bürofläche intelligent zu organisieren. Einsparung geht nur, wenn die Mitarbeitenden keinen festen, ihnen zugewiesenen Arbeitsplatz mehr haben. Und das geht weit über klassisches Desksharing hinaus.

Buchungssyteme für Desksharing und Coworking

Schreibtischbuchungen müssen den individuellen Bedürfnissen des Mitarbeitenden entsprechen. Manche benötigen ein Büro mit Drucker/Präsentationstechnik oder arbeiten einfach gerne an einem Schreibtisch mit Fenster. Deshalb müssen Faktoren wie die unterschiedlichen Ansprüche der Mitarbeitenden abgefragt und mit einbezogen werden. Dabei kann der Wunsch des Mitarbeitenden nach bestimmten Funktionen – ungestörter Einzelarbeitsplatz oder Teamarbeitsbereich – sich von Stunde zu Stunde ändern. Auch das Buchen von Meetingräumen ist eine Arbeitsplatzbuchung.

Das System sollte ermöglichen, dass Mitarbeitende so verteilt werden, dass ganze Stockwerke oder Gebäudeabschnitte nicht belegt werden. So kann mehr Fläche freigehalten werden, die nicht beheizt werden muss – und Energie wird eingespart.

Auch eine Verknüpfung mit anderen Apps sollte gegeben sein. Zum Beispiel fällt es Betriebsrestaurants leichter, ressourcenschonender zu planen, aber auch für jede Eventualität genügend Lebensmittel verfügbar zu haben, ohne dass große Mengen weggeworfen werden müssen.

Aus den Erfahrungen von Unternehmen, die häufig Mitarbeitende aus anderen Standorten oder Beratende und Gäste in ihrem Büro haben, lassen sich Kriterien erkennen, die ein intelligentes Buchungssystem per App erfüllen muss. Im Flexible.Office.Network. haben viele Unternehmen schon lange Erfahrung mit Buchungssystemen, wie MediaDialog, GoBright, iotspot und Comfy.

So gelingt es Arbeitgebenden für die Mitarbeitenden einen Arbeitsplatz zu schaffen, an dem sie optimale Arbeitsbedingungen vorfinden und sich wohlfühlen. Damit werden nicht nur Kosten eingespart, sondern auch gemeinsam ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet.

Über den Autor

Dieter Boch ist geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Arbeitsforschung und Organisationsberatung (iafob deutschland) und Leiter des internationalen Flexible.Office.Network., einem überbetrieblichen Forum für den Wissens- und Erfahrungsaustausch zur BüroArbeitswelt von Morgen.

Als Dozent lehrte er an der Fachhochschule Salzburg und der Hochschule für Wirtschaft in Zürich Führungsverhalten und Future Work & Workplace Design.

Der Diplom-Psychologe ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen und 
Mitherausgeber der Buchreihe „Flexible Arbeitswelten“. 

 

Ein positives Arbeitsumfeld erzeugen – real und virtuell

Organisationen haben in den Jahren der Pandemie – gezwungenermaßen – eine rasante Veränderung erlebt. Vieles, das vorher eher ein Privileg Einzelner war, wurde auf einen Schlag Realität – ohne lange Planung, ohne Change Management und ohne Pilotflächen und Testreihen.

Es gab keine Workshops zur Vorgehensweise, keine Aufgabenverteilung zur Umsetzung und keine Befragungen. Die Kultur der Organisation wurde nicht geplant, verändert und angepasst. Sie musste die Krise aushalten und hat das meist ohne Probleme ganz gut überstanden.

Wie kann eine Organisation dazu beitragen, dass Menschen sowohl real als auch virtuell gut miteinander arbeiten können?

Vizepräsident Oliver Jahraus von der LMU in München sagt: „Wir werden nie wieder zu einem Zustand zurückkehren wie vor Corona. Dazu hat sich zu viel verändert.“ Wir werden uns in Zukunft also immer fragen, was wir sinnvollerweise im Büro machen und was zuhause oder an dritten Orten. Es wird viel mehr um menschenzentrierte Orte für die Arbeit gehen.

Geht man ins Büro so fragt man sich: „Warum bin ich hier und was kann ich hier lernen?“ Es geht zwar um Leistung, aber vor allem auch um die eigene Potentialentfaltung.

In Zukunft möchte die Hälfte der Erwerbstätigen selbst entscheiden, wann und wo sie arbeitet und wie sie ihre Arbeit und die Zeit dafür einteilt. Ein Drittel der Befragten einer Stepstone-Umfrage möchte eine feste Vereinbarung zu Home-Office-Tagen. 30 Prozent Home-Office heißt einerseits aber auch Desk Sharing und andererseits bedeutet dies Entfremdung: Man sieht sich nicht mehr regelmäßig und vor allem die zufälligen Treffen fehlen, die ganz besonders zu neuen Ideen inspirieren und oft die eigene Arbeit beflügeln.

Homeoffice
Foto: Unsplash | Thought Catalog

Wie kann man an unterschiedlichen Orten die gemeinsame Kultur leben und mit Kolleg:innen in Verbindung bleiben?

In Zukunft wird im Büro die richtige Balance zwischen Austausch, Teamwork, individuellen Arbeitsplätzen und Fokusarbeit immer wichtiger werden. Flächeneffizienz wird ihren Stellenwert verlieren. An diese Stelle muss Nutzereffektivität treten.

Es geht vor allem darum, die gesamte Fläche gemeinsam gut und richtig zu nutzen und die Kultur der Organisation erlebbar zu machen, sowohl real als auch virtuell. Eines ist klar geworden: Die Verteilung der Flächen wird sich in Zukunft verschieben.

“Die Zeit, die man am individuellen Arbeitsplatz im Büro verbringt, wird sich auf 30 Prozent halbieren. Der Bedarf an Flächen für Zusammenarbeit steigt hingegen von 30 auf 50 Prozent.”

Die Zeit, die man am individuellen Arbeitsplatz im Büro verbringt, wird sich auf 30 Prozent halbieren. Bereits vor der Pandemie war dies meist nicht mehr als 60 Prozent, wie zahlreiche Flächennutzungsstudien immer wieder belegt haben.

Der Bedarf an Flächen für Zusammenarbeit steigt hingegen von 30 auf 50 Prozent. Hier ist vor allem darauf zu achten, vielfältige, unterschiedliche Flächen und Räume zur Verfügung zu stellen, die sich einfach umnutzen lassen – je nach den Aktivitäten und Bedürfnissen der Nutzer.

Ebenfalls rapide steigen wird der Bedarf an Dienstleistungsflächen. Dieser war vor der Pandemie mit 5 Prozent relativ gering und wird in Zukunft eher auf 20 Prozent steigen.

Wenn man ins Büro geht, erwartet man eine gute Atmosphäre und Annehmlichkeiten, die es zuhause im Homeoffice nicht gibt. Möglicherweise –  je nach Größe der Organisation – gesunde Verpflegung, zumindest aber Obst, Getränke und ausgezeichneten Kaffee.

Diese gemeinsame Zeit in der Realität wird ergänzt durch gute gemeinsame Zeit online. Zugehörigkeit und Sinn werden durch konsistente Beziehungen zwischen Menschen, Inhalten und Orten geschaffen.

Foto: Unsplash | Vadim Kaipov

Wie können wir uns also noch verbunden fühlen, wenn wir aus der Ferne arbeiten?

Ziel einer Arbeitswelt ist es, Wissen und Menschen zu vernetzen sowie virtuelle und reale Räume zu verbinden. In Zukunft wird man Arbeit viel bewusster planen als vor der Pandemie. Das heißt, die Menschen wählen ganz bewusst zwischen verschiedenen Arbeitsorten den jeweils richtigen Ort aus:  für die Aktivität, die Aufgabe und die eigene Befindlichkeit. Ausschlaggebend sind die individuelle Agenda, die Leistungsunterstützung und die Lernerfahrung, die man benötigt.

Arbeit wird in Zukunft differenzierter gesehen werden: gemeinsam, gesellig, allein, ungestört, mit vielen Erfahrungen, effektiv, real, virtuell, hybrid…

Foto: Unsplash | Nathan Dumlao

“Menschen sind soziale Wesen, die zum Wohlfühlen Zwischenmenschlichkeit brauchen. Virtuelle Arbeitsumgebungen müssen diesen Raum für Zwischenmenschlichkeit schaffen.”

Menschen entfalten ihre Potentiale durch Interaktion mit anderen Menschen und mit ihrer Umgebung. Vielfältige Erfahrungen sind dabei wichtig und regen an: visuell, akustisch und haptisch. Diese Anregungen braucht es sowohl virtuell als auch real.

Menschen brauchen Fokus und Rückzug, Geselligkeit und Rituale. Dazu werden Kollaborationsräume, Labore und Kreativräume, Zwischenräume und Begegnungsräume benötigt, um in Erfahrungen eintauchen und neue, eigene machen zu können.

Menschen sind soziale Wesen, die zum Wohlfühlen Zwischenmenschlichkeit brauchen. Virtuelle Arbeitsumgebungen müssen diesen Raum für Zwischenmenschlichkeit schaffen. Abteilungen, Generationen, unterschiedlichen Hierarchien muss die Möglichkeit zu Begegnungen und zu Austausch gegeben werden. Es muss Raum für professionelle Neugier geschaffen werden.

“Tools wie Mural oder Miro können solche Zwischen- und Begegnungsräume virtuell erschaffen, wenn sie organisations- und abteilungsübergreifend angewandt und auch „ritualisiert“ genutzt werden.”

Es geht darum eine gemeinsame virtuelle Welt für die Organisation zu schaffen, die attraktiv und authentisch ist und zur Kultur der Organisation passt.

Junge wie ältere Talente müssen sich angezogen fühlen, durch die reale, aber auch die Online-Welt und sich dort (gemeinsam) wohl fühlen. Auch die virtuelle Arbeitswelt muss Wissen und Wissensträger vernetzen.

Anstatt Wissen zu speichern, muss es den anderen zur Verfügung stehen und man muss in der Lage sein, darüber zu kommunizieren, zu diskutieren und das Wissen gemeinsam zu erweitern. „Mein“ Office ist Vergangenheit – „Unser“ Büro ist die Zukunft.

Virtuelles Drees & Sommer Office
Virtuelles Drees & Sommer Office am Beispiel Frankfurt

 

Wie sich virtuelle und reale Räume verbinden lassen, zeigt das virtuelle Drees & Sommer-Büro aus Frankfurt. Im Erdgeschoß des „Mural“-Hauses kann man durch eine Tür auch in das reale Frankfurter Büro eintreten. Dort kann man zu einer Tafel gehen und mit Kolleg:innen Ideen austauschen oder diese Wandboards nutzen, um einen Workshop durchzuführen.

Virtueller Mural Workshop
Virtueller Mural-Workshop

 

Im „Keller“ des Hauses wurde in diesem Fall ein Hobbykeller eingerichtet. Hier kann man mit anderen seine Hobbys teilen, indem man Bilder oder Filme einstellt oder Bücher postet, die auch für die anderen interessant sein könnten.

Dieses virtuelle Haus hat unterschiedliche Geschosse und viele unterschiedliche Räume, die wiederum weiter verlinkt werden können zu anderen Häusern. Wie in einem realen Büro gibt es private Räume, die in der virtuellen Welt auch verschlossen werden können und so nicht jedem zugänglich sind sowie offene Bereiche, in denen jeder willkommen ist. E

s gibt Räume, in denen man sich gegenseitig mit Wissen versorgt und Materialien austauschen kann, es gibt Bereiche für Teambesprechungen, Termine und wichtige Mitteilungen, aber auch Orte für Feiern, Jubiläen oder Geburtstagsüberraschungen, wie beispielsweise ein Ständchen mit der Lieblingsmusik.

Woran sollte eine Organisation in Zukunft denken, um ihren Mitarbeiter:innen optimale Arbeitsumgebungen zur Verfügung zu stellen?

Zauberworte für die Zukunft sind Vielfalt und Funktionalität. Flächen und Räume müssen verfügbar sein und einfach zu erreichen – sowohl real als auch virtuell.

Plant man neu oder wird restrukturiert, so sollten die Mitarbeitenden die Nutzung der Flächen gemeinsam definieren und man sollte immer daran denken, dass eine Arbeitswelt ein lebendiger Organismus ist.

Bewähren sich Flächen nicht, so werden sie einfach anders gestaltet. Eine gute Arbeitswelt ist eine sich ständig wandelnde Pilotfläche, die jederzeit auf sich verändernde Bedingungen reagieren kann und muss. Menschen sind unterschiedlich und haben auch nicht jeden Tag die gleichen Anforderungen und Bedürfnisse. Darauf muss die Arbeitsumgebung vorbereitet sein und reagieren können, indem sie viele unterschiedliche Wahlmöglichkeiten bereithält. Spezifische Anforderungen müssen im Bedarfsfall optimal unterstützen werden.

Junge Mitarbeitende in einer Besprechung
Foto: Unsplash | Austin Distel

Wenn man die Zukunft vor Augen hat, haben Organisationen jetzt die Gelegenheit sich neu aufzustellen und sich um die realen und virtuellen Flächen und Erfahrungen zu kümmern.

Sozialer Austausch, zufällige Treffen und Zusammenarbeit in Teams, real und virtuell, brauchen gute Gestaltung und Umsetzung. Es gibt viele Unsicherheiten und Unbekannte in der neuen Arbeitswelt, aber eines ist gewiss: Die Erwartungen der Mitarbeiter:innen an die eigene Autonomie und an das reale und virtuelle Arbeitsumfeld werden höher sein als vorher.

Mitarbeitende wollen mehr Kontrolle über Orte und Flächen, ohne das dies mehr kostet und mehr Aufwand bedeuten muss. Individuelles, fokussiertes Arbeiten kennt jetzt viele Orte: zuhause, im Büro und an dritten Orten, je nach den Möglichkeiten des Einzelnen und den persönlichen Bedingungen und Vorlieben.

Es braucht viele verschiedene Arten von Flächen, mit einer Auswahl an realen und virtuellen Orten und Zeiten. Der Arbeitsplatz ist ein bestimmtes Gebäude und viel mehr. Er ist nicht länger ein einzelner Ort, sondern ein Netzwerk von virtuellen, physischen und „hybriden“ Orten. Dieses Ökosystem bietet flexible und bedarfsorientierte Orte, die Komfort, Funktionalität und Wohlbefinden unterstützen und den Nutzern die gewünschte Flexibilität und Variabilität sicherstellen.

Über die Autorin

Prof. Dr. Christine Kohlert ist Expertin für Lern- und Arbeitswelten der Zukunft. Sie ist langjähriges Mitglied des internationalen Flexible.Office.Network., einem überbetrieblichen Forum für den Wissens- und Erfahrungsaustausch zur BüroArbeitswelt von Morgen.

Sie ist außerdem wissenschaftlicher Fachbeirat für verschiedene Kongresse, arbeitet freiberuflich für verschiedene Unternehmen, beispielsweise für Drees & Sommer SE, und ist Professorin an der Mediadesign Hochschule in München.

Christine Kohlert lehrte international an diversen Universitäten, unter anderem am Massachussetts Institute of Technology in Cambridge (MIT), USA, an der UCLAS in Dar es Saalam, Tansania und arbeitete in renommierten internationalen Büros.

Die Architektin und Stadtplanerin ist Autorin zahlreicher Bücher und Veröffentlichungen. „Space for Creative Thinking: Design Principles for Work and Learning Environments“ beschäftigt sich mit dem Raum als Werkzeug für ein positives Umfeld. In ihrem neuen Buch “Das menschliche Büro – The human(e) office: Hilfe zur Selbsthilfe für eine gesunde Arbeitswelt – Helping people to a healthy working environment“ beleuchtet sie mit Autor:innen unterschiedlichster Disziplinen das Umfeld und die Psychologie einer gesunden Arbeitsumgebung.

Lernen in der Gemeinschaft – Zusammenkommen in der Pandemie

Videokonferenz oder Präsenzmeeting – Haben wir derzeit kein wichtigeres Problem?

Das flexible.office.network. hat seit seiner Gründung das Ziel, den Wandel der BüroArbeit mit seinen rasanten Entwicklungen und komplexen Zusammenhängen besser zu erfassen. Dabei verschaffen Einblicke in unterschiedliche Erfahrungen und die Möglichkeit zur offenen Diskussion verschiedener Problemstellungen einen geschärften Blick auf die bestmögliche Umsetzung im eigenen Unternehmen.

Das Netzwerk als Abbild der Gesellschaft

Die Arbeit in einem Netzwerk ist vergleichbar mit einem Gefäß, aus dem man etwas herausholt und etwas hineingibt. Beides ist unerlässlich. Ein Netzwerk ist eine Gemeinschaft, die ausgerichtet ist, zuerst einen gemeinsamen Nutzen zu erbringen und daraus resultiert auch ein individueller Nutzen. Solidarisches Verhalten und nicht Eigensinn führen zum Erfolg.

So ist das Netzwerk ein Abbild der Gesellschaft.

Derzeit ist die wichtigste Aufgabe einer demokratischen Gesellschaft in einer Pandemie, den Schutz der Gesellschaft und des Einzelnen vor Krankheit und Tod sicherzustellen.

Wir haben in unserer demokratischen Gesellschaft in vielen Bereichen eine Solidargemeinschaft, besonders im Gesundheitswesen. Die Mehrheit der Gesellschaft trägt mit ihrem Verhalten zu dieser Solidargemeinschaft bei. Eine kleine Minderheit von Ignoranten der Vernunft richtet, mit welcher Begründung auch immer und in welcher gesellschaftlichen Rolle, einen immensen sozialen, ökonomischen und ökologischen Schaden für uns alle an.

Wenn sich zwei Menschen mit FFP2-Maske in einem Innenraum auf kurzer Distanz begegnen, liegt die Ansteckungsgefahr auch nach 20 Minuten nur bei 0,1 Prozent.

Studie des Max-Planck-Instituts

Wolfram Henn, Humangenetiker und Mitglied des Deutschen Ethikrates hat schon am  6. August 2021 gesagt: “Wer sein Recht auf Unvernunft wahrnehmen will, der muss damit rechnen, dass sich andere vor ihm schützen”.

Die Deutsche Homöopathie-Union (DHU) – nicht immer ein Verfechter der klassischen wissenschaftlichen Medizin – hat am 4. Dezember 2021 gesagt: „Die Immunisierung der Bevölkerung mit zugelassenen Impfstoffen ist der einzige Weg, der uns aus der Pandemie führt.“

„Der Weg aus der Pandemie dauert nur zwei Sekunden“, schreibt die DHU weiter. Dabei gibt es nur zwei Dinge miteinander abzuwägen. „Eine sichere Impfung oder ein unsicheres Schicksal, wie es fast jeder zehnte Covid-Patient erleidet: die Langzeitfolgen der ungeschützten Infektion“, Eckart von Hirschhausen am 6. Dezember 2021 in der ARD.

Die weltweite Impfquote liegt derzeit bei 42 Prozent, die tägliche Infektionsrate weltweit bei kumulativ 265 Millionen. Das Virus hat optimale Möglichkeiten, immer wieder neue Mutationen zu bilden. Das SARS-CoV-2-Virus – die Delta-Variante und die neue Variante Omikron (B.1.1529) – werden uns noch lange beschäftigen.

Regelungen des flexible.office.network

Wir werden in unserem Netzwerk nur mit vollständig Geimpften zusammenarbeiten und nur Gäste begrüßen, die  sich solidarisch verhalten und damit zur Gesundheit der Gemeinschaft – und auch ihrer eigenen – beitragen.

Darüber hinaus werden wir uns in unseren Live-Veranstaltungen vor dem Infektionsrisiko mit einer FFP2-Maske schützen.

Eine neue Studie des Max-Planck-Instituts zeigt, wie effektiv FFP2-Masken sind, wenn sie korrekt getragen werden. Wenn sich zwei Menschen mit FFP2-Maske in einem Innenraum auf kurzer Distanz begegnen, liegt die Ansteckungsgefahr auch nach 20 Minuten nur bei 0,1 Prozent.

Allerdings kommt es laut der Forscher aber auf die richtige Trageweise der FFP2-Maske an. Für optimalen Schutz muss der Nasenbügel demnach zu einem “abgerundeten W” geformt werden, so dass er seitlich auf die Nasenflügel drückt. Bei schlecht sitzenden FFP2-Masken liege das Infektionsrisiko im gleichen Szenario dagegen bei rund vier Prozent.

Im Gegensatz dazu steht das Ergebnis bei Begegnungen von zwei Personen, die keine Maske tragen: Wenn in diesem Fall ein gesunder Mensch mit drei Metern Abstand wenige Minuten in der Atemluft eines Infizierten stehe, werde er sich mit einer Wahrscheinlichkeit von 90 Prozent anstecken, so die Forscher. 

“Wir hätten nicht gedacht, dass es bei mehreren Metern Distanz so schnell geht, bis man aus der Atemluft eines Virusträgers die infektiöse Dosis aufnimmt”, so Institutsdirektor Eberhard Bodenschatz. Denn auf diese Distanz hat sich die Atemluft schon kegelförmig im Raum verbreitet und die infektiösen Partikel entsprechend verdünnt. Die besonders großen und damit besonders virusreichen Partikel fallen zudem schon nach einer kurzen Strecke durch die Luft zu Boden. 

“Trotzdem haben wir in unserer Studie auch in drei Metern Entfernung noch ein enormes Ansteckungsrisiko festgestellt, wenn man Infizierten mit einer hohen Viruslast, wie sie bei der vorherrschenden Delta-Variante des SARS-CoV-2-Virus auftritt, für ein paar Minuten begegnet und keine Maske trägt“, sagt Eberhard Bodenschatz.

Die Studie ist hier nachzulesen.

Über den Autor

Dieter Boch ist geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Arbeitsforschung und Organisationsberatung (iafob deutschland) und Leiter des internationalen Flexible.Office.Network., einem überbetrieblichen Forum für den Wissens- und Erfahrungsaustausch zur BüroArbeitswelt von Morgen.

Als Dozent lehrte er an der Fachhochschule Salzburg und der Hochschule für Wirtschaft in Zürich Führungsverhalten und Future Work & Workplace Design.

Der Diplom-Psychologe ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen und 
Mitherausgeber der Buchreihe „Flexible Arbeitswelten“. 

Der teure Darm: Ein Erklärungsversuch

Was ist nicht schon alles über den Darm geschrieben worden. Trotz vielversprechender Ansätze und Forschungen zu unserem einzigen autonomen Organ und trotz einer Fülle an verschiedenen Ernährungsansätzen, geht es dem modernen Darm so schlecht wie nie. Und wenn es dem Darm nicht gut geht, geht es auch dem Menschen nicht gut. Inzwischen wächst die Erkenntnis darüber, dass wir an unserer Ver- und Entsorgungsstation nicht vorbeikommen, wollen wir dauerhaft gesund sein oder bleiben.

Der Darm ist ein „Schlüsselorgan“. Alles was ihm zugeführt wird, wird aufgenommen, verarbeitet, verteilt und abgeführt. Wie gut ihm das gelingt hängt davon ab, wie gut sein Team (Mikrobiom) aufgestellt ist. Je größer die Vielfalt der Teammitglieder (Darmbakterienstämme), desto besser die Verarbeitung und Verteilung der zugeführten Nährstoffe und umso gesünder und resilienter ist der Mensch. Heute weiß man, dass sich die Aufgaben und der Wirkungsgrad des Darms nicht nur auf die Versorgung des Körpers beschränkt. In der Mitte des Körpers gelegen trägt er auch maßgeblich zur emotionalen und auch geistigen Gesundheit bei. Je besser es ihm geht, desto mehr ist auch der Mensch in seiner Mitte – körperlich, geistig und seelisch.

Der Darm trägt zur emotionalen und auch geistigen Gesundheit bei. Je besser es ihm geht, desto mehr ist auch der Mensch in seiner Mitte – körperlich, geistig und seelisch.

Der moderne Darm – ein Sanierungsfall

Prof. Emeran Mayer aus Kalifornien untersuchte, welchen Einfluss die Zusammensetzung der Darmteams (Mikrobiom) auf die Entstehung von Krankheiten hat. Dabei stellte er fest, dass Naturvölker, wie im Amazonas- oder Orinoko-Gebiet, eine viel größere Vielfalt an Darmbakterien aufweisen als die Menschen in der zivilisierten Welt. Die moderne und zudem bewegungsarme Lebens-und Ernährungsweise hat dazu geführt, dass wir inzwischen bis zu 40 Prozent unserer Darmflora, in Quantität und Qualität, abgebaut haben. Jeder, der sich in das Szenario hineindenkt, weiß oder spürt, was es für ein Unternehmen bedeuten würde, 40 Prozent seiner Mitarbeitenden inklusive des Knowhows zu verlieren. Da heißt es entweder zu verstehen, wie das passieren konnte und einen Wiederaufbau starten, oder zu kapitulieren.

Die Reduzierung des Mikrobioms hat mit dazu geführt dass Krankheitsbilder, die früher eher selten vorkamen, nun in steigendem Maße auftreten. Dazu zählen Autoimmun-Erkrankungen, Nahrungsmittelallergien und -unverträglichkeiten, entzündliche Darmerkrankungen oder auch Asthma bis hin zu Depressionen. Bei der Sanierung eines Unternehmens betreibt man Ursachenforschung. Bei der Erforschung dessen, was dazu geführt hat, dass es dem modernen Darm so geht wie es ihm geht, auch.

Wie jedes Unternehmen so hat auch ein Darm unterschiedliche Startvoraussetzungen. Bei natürlichen Geburten erhält das Neugeborene bei der Passage des Geburtskanals sein Darmflora-Starterpaket. Anders verhält es sich bei Kaiserschnittgeburten. Die Zahl der Kaiserschnittgeburten ist in den vergangenen Jahrzehnten stark angestiegen.

Die Heliosklinik schreibt dazu auf ihrer Webseite: „In Deutschland kommt mittlerweile etwa jedes dritte Kind per Kaiserschnitt (Sectio) auf die Welt. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland damit weit vorne. Im europäischen Ranking sogar auf dem vierten Platz. Eine Kaiserschnittgeburt bringt auch Nachteile für das Baby. Bei einer natürlichen Geburt wird die Bakterienflora im Geburtskanal auf das Baby übertragen, wodurch der Darm und die Haut des Kindes schneller mit wichtigen Bakterien besiedelt werden können. Bei einem Kaiserschnitt kommt das Kind nicht mit der besagten Bakaterienflora in Berührung. Studien zeigen auf, dass Kaiserschnittkinder deshalb im Laufe ihres Lebens ein höheres Risiko für Übergewicht, Allergien oder Asthma haben.“

Kaiserschnittkindern fehlt dieses Darmflora-Starterpaket, das wesentlich ist für den Aufbau und die Zusammensetzung der Darmflora und auch für den Aufbau des Immunsystems.

Der Darm – und sein Potenzial

Der Darm ist so groß, dass man sich fragt, wie er sich im Körper überhaupt entfalten kann. Er kann bis zu 7 Meter Länge erreichen. Aufgeklappt entspricht das in etwa der Größe von zwei Tennisplätzen. Er verfügt über mehr Abwehrzellen als Haut und Atemwege zusammen. Im Darm tummeln sich, Untersuchungen zufolge, mindestens 1.014 verschiedene Mikroorganismen, die friedlich miteinander leben. Gewogen, entspräche das in etwa 1,5 bis 2 Kilogramm. Die Darmflora ist mit „guten“ und „schlechten“ Bakterien besiedelt. Kein Problem, solange die „Guten“ die Oberhand behalten. Ist der Darm geschwächt, ist auch das Immunsystem geschwächt, das zu ca. 70-80 Prozent im Darm zuhause ist. Die Entfaltung dieses Potenzials erfolgt nur bei entsprechender Forderung.

“Zu wenig Bewegung, zu wenig natürliche Auseinandersetzung mit den Umwelteinflüssen lassen den Darm träge werden. Auf Mitarbeiter bezogen hieße das: Outsourcen und damit einhergehend Abbau von Arbeitsplätzen und genauso reagiert der Darm. Darmbakterienstämme werden abgebaut.”

Der moderne Darm – in der Abstiegsspirale

Früher wurde das Immunsystem im alltäglichen Leben regelrecht trainiert. Es wurde nicht alles gleich desinfiziert, die Kinder spielten im Matsch, hatten aufgeschürfte Knie, waren viel in Bewegung und wurden sie mal krank, kamen natürliche Hausmittel zum Einsatz, die die Selbstheilungskräfte aktivierten. Erst wenn das nicht half wurde ein Arzt konsultiert.

Der moderne Darm träumt von solch einem Leben. Ihm fehlt diese wichtige Auseinandersetzung, durch die seine Widerstandskraft gestärkt wird. Durch das zivilisierte Leben und die wachsende Zahl an Produkten, wie Desinfektionsmittel u.v.m., die ihm seine Arbeit abnehmen, wird er immer träger und leidet schon fast an bore out (Darmträgheit). Zu wenig Bewegung, zu wenig natürliche Auseinandersetzung mit den Umwelteinflüssen lassen den Darm träge werden.

Auf Mitarbeiter bezogen hieße das: Outsourcen und damit einhergehend Abbau von Arbeitsplätzen und genauso reagiert der Darm. Darmbakterienstämme werden abgebaut. Hinzu kommt, dass wir in unseren Breiten im Überfluss (Überangebot) leben. Jederzeit ist Nahrung verfügbar. Dadurch kommt es im Darm zu einem Nährstoffüberschuss mit der Folge, dass der Stoffwechsel ins Schleudern gerät und der Darm mit der Verdauung überfordert ist. Das Immunsystem ist zudem rund um die Uhr auf der Hut, weil es sich mit vielen unbekannten Feinden wie Nanopartikeln, Mikroplastik, Konservierungsstoffen, Schwermetallen u.v.m. auseinandersetzen muss.

Es stellt sich ein über Jahre schleichender, oft lange unbemerkter Prozess ein, der den Darm auf Dauer schädigt.

Sog. Silent Inflammation entstehen, die nach heutigem Forschungsstand bei der Entstehung vieler chronischer Krankheitsbilder eine zentrale Rolle spielen. Zu den Hauptauslösern von chronischen Entzündungen zählen mangelnde Stressregulation und eine einseitige bzw. eine Fehlernährung. Einseitig, weil dem Darm zwar viel zum Verarbeiten zugeführt wird, aber seinem persönlichen Bedarf an Nährstoffen, Bewegung und Entspannung nicht ausreichend nachgekommen wird.

Der Preis für das moderne Leben ist hoch. Er geht einher mit einem bereits Jahrzehnte andauernden schleichenden Entfremdungsprozess zur eigenen Natur.

Durch ständig verfügbare Nahrung kommt es im Darm zu einem Nährstoffüberschuss, wodurch der Stoffwechsel ins Schleudern gerät und der Darm mit der Verdauung überfordert ist.

Der moderne Darm – und die Gesellschaft

Dieser Entfremdungsprozess hat viele Gesichter:

  • Die Digitalisierung mit ihren Annehmlichkeiten auf der einen und der Bequemlichkeit auf der anderen Seite (Darmträgheit, Verdauungsstörungen).
  • Die Digitalisierung mit ihrer Reizüberflutung auf der einen und der zunehmenden Überforderung auf der anderen Seite (Reizdarm, Allergien).
  • Die Vielfalt des Nahrungsangebotes auf der einen und die Einseitigkeit der Ernährung auf der anderen Seite (Lebensmittelunverträglichkeiten).
  • Die „Wir nehmen Euch alles ab“-Medizin auf der einen und der Verlust des Gefühls – körperlich, geistig, seelisch – für sich selbst auf der anderen Seite (Stimmungsschwankungen, Depression).

Dieser Entfremdungsprozess ist von gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Natur. Er beginnt bereits bei den Jüngsten. Viele Kinder wachsen in dem Erleben auf, dass Gesundheit etwas ist, das nur von außen gesteuert wird. Wenn etwas weh tut, geht man zum Arzt und der richtet das schon. Das Bewusstsein und das Wissen dafür, was man selbst tun kann, wie man sich selbst helfen kann und dass man Selbstheilungskräfte besitzt, geht mit der Großelterngeneration zunehmend verloren. Und diese Prägung hat nachhaltige Folgen.

Auch wenn es aktuell ein sensibles Thema ist, lässt sich diese Prägung sehr gut am Beispiel des Impfens im Kindes- und Jugendalter verdeutlichen. Es geht in diesem Kontext nicht um das Impfen an sich, sondern darum, wie Kinder den prägenden Vorgang des häufigen und regelmäßigen Impfens, der einem Ritual gleichkommt, verbuchen.

Ein Glaubenssatz wird geboren: Es kommt etwas von außen, das eine mögliche schlimme Krankheit verhindert. Ich selbst trage nichts dazu bei, die drohende Gefahr zu beheben. Das wird für mich erledigt. Andere sind für meine Gesundheit zuständig. Ich trage keine Verantwortung.

Oftmals entwickelt sich im späteren Leben daraus die Haltung, dass man beispielsweise für seine Rückenschmerzen und für seine Stimmungslage nicht verantwortlich ist. Und auch die Bereitschaft aus eigenem Antrieb heraus etwas für sein Wohlbefinden zu tun wächst häufig erst, wenn es sich nicht mehr vermeiden lässt.

Wie schwer es fällt, diese Haltung zu überwinden, erleben Unternehmer:innen, die Selbstfürsorge und gesundes Arbeiten in den Arbeitstag integrieren möchten. Die Begeisterungsstürme der Belegschaft sind einem sicher. 😉 Bei einer dauerhaften Vernachlässigung der Darmbedürfnisse und bei einem nicht trainierten Immunsystem erschöpft sich die Leistungsfähigkeit des Darmes und seines Besitzers schon beim Erledigen des Nötigsten. Denn der moderne Darm leidet nicht nur unter bore out, sondern gleichzeitig auch unter burn out. Allergien, Reizdarm, chronische Darmentzündungen bis hin zu Autoimmunerkrankungen – gereizt sein bis depressiv sein – sind unter anderem die Folge einer überschießenden Immunantwort.

Aber nicht nur die körperliche Widerstandskraft ist vermindert, sondern auch die emotionale. Heute weiß man, dass Emotionen vom Darm mitgesteuert werden, und dass Darm und Gehirn ziemlich beste Freunde sind. Bei der jüngeren Generation findet man diese Symptom- und Krankheitsbilder zunehmend, gepaart mit der Tendenz Konflikten möglichst aus dem Weg gehen zu wollen. Viele junge Menschen haben zudem eine ausgeprägte Tendenz, sich emotional fordernden Situationen nicht aussetzen zu wollen. Was fehlt ist häufig Standfestigkeit und emotionale Stabilität, ausgelöst durch eine unzureichende Stressregulation. Auch die regelmäßige Aufnahme synthetisch hergestellter Nahrungsmittel, zu denen auch manche vegane Produkte zählen, und Getränke spielt hier eine nicht unwesentliche Rolle. Diese Faktoren tragen mit dazu bei, dass bei immer jüngeren Menschen zunehmend chronische Krankheitsgeschehen diagnostiziert werden, insbesondere chronisch entzündliche Darmerkrankungen wie z.B. Morbus Crohn oder Colitis Ulcerosa.

 

“Heute weiß man, dass Emotionen vom Darm mitgesteuert werden, und dass Darm und Gehirn ziemlich beste Freunde sind.”

Der Darm – die Bestandsaufnahme

Wie bei Sanierungsprozessen üblich, beginnt dieser auch beim Darm mit einer Bestandsaufnahme. Ist die Bestandsaufnahme erfolgt, braucht es eine zugewandte Führung. Eine Führung, die sowohl nach außen (Einflussfaktoren) wie nach innen gerichtet (Verarbeitungsmöglichkeiten/Potenzial) arbeitet. Seinen Darm verstehen lernen, ihm Aufmerksamkeit schenken und ihm alles bereitstellen, damit er seine Arbeit für uns tun kann, wäre ein Lösungsansatz.

Der Darm – das unbekannte Wesen

„Eure Nahrungsmittel sollen eure Heilmittel sein.“

Hippokrates

Seit vielen Jahren stecken Unternehmen viel Geld in die Potenzialentfaltung ihrer Mitarbeitenden. Aber immer häufiger trifft man auf gestresste, müde, verstimmte, gereizte, unaufgeräumte, überforderte oder überaktive Mitarbeitende. Wo setzt Potenzialentfaltung sinnvollerweise an? Wäre es nicht sinnvoll, wenn Potentialentfaltung dort beginnen würde, woraus der Mensch seine Kraft schöpft? Und hierbei spielt die Ernährung eine überaus wichtige Rolle.

Mit der Entwicklung von Kantinen hin zu Betriebsrestaurants hat sich in der Regel auch das Speisenangebot qualitativ verbessert. Man ist bemüht, ein breiteres Spektrum für verschiedene Zielgruppen an Speisen anzubieten. Zunehmend wird in den Betriebsrestaurants auch auf Trend-Ernährung gesetzt. Aber ist Trend-Ernährung für jeden Darm gleichermaßen geeignet? VW geht aktuell noch einen Schritt weiter und streicht bei der Umstellung auf ausschließlich vegetarische und vegane Kost die „geliebte Currywurst“.

Wenn Ernährung plötzlich von einer fleischreichen auf eine rein pflanzliche Ernährung oder von gekochter auf eine rohkostreichere Ernährung umstellt wird, gibt es, wie in jedem Unternehmen, so auch im Darm, unterschiedliche Reaktionen auf die Neuerung. Manche Därme freuen sich, weil die neue Ernährung endlich ihrem „Typ“ entspricht und andere reagieren empört, weil sie nicht die passenden Tools haben (Bakterienstämme), um den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Kennen Sie Ihren Darm-Typ (Entero-Typ)?

Der Darm – und sein „Typ“

Vom Darm wird erwartet, dass er ohne Wenn und Aber die Ernährungsideen seines Besitzers tapfer erträgt. Ob er dafür die passenden „Werkzeuge“ (Bakterienstämme) hat? Man weiß es nicht.

Vom Superfood-Darm bis hin zum Fastfood-Darm gibt es keinen Darm, der dem anderen gleicht. Aber welche Darm-Teams machen den eigenen Darm aus?

Es gibt viele Erkenntnisse darüber, wie der Darm z.B. auf Medikamente, wie das populärste in Verbindung mit dem Darm, das Antibiotika, reagiert. Man weiß, dass Antibiotika auch die „guten“ Bakterienstämme reduziert und empfiehlt nach Einnahme die Darmflora wieder aufzubauen. Es gibt auch viele Darmkuren, Darmreinigungen etc. die man machen kann, damit es dem Darm besser geht. Viele dieser Darm aufbauenden Kuren oder Diäten werden durchgeführt, ohne den eigenen Darm befragt zu haben, ohne Bestandsaufnahme.

An ihren Darmbakterien sollt ihr sie erkennen.

Kennen Sie Ihren Darm-Typ? Bild: planet-wissen.de

2011 veröffentlichte Peer Bork, Bioinformatiker am Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie in Heidelberg, eine Studie, die die Menschheit in drei Darmtypen unterteilt. (Quelle: Fachjournal “Nature” doi: 10.1038/nature09944).

Das Forschungsergebnis überraschte. Unabhängig von Nation, Kultur, Alter oder Geschlecht kann jeder Mensch einem der drei Bakterienstämme zugeordnet werden. Jeder Darm-Typ hat seine eigenen Vorlieben und auch einen anderen Stoffwechsel. Spannend ist, dass die Forscher aufgrund der Zusammensetzung der Darm-Typen-Flora auch Rückschlüsse auf typische Krankheitsbilder, die sich durch die Zusammensetzung des Mikrobioms ausprägen können, ziehen können.

Darm-Typ 1 beispielsweise hat eine geringere Bakterienvielfalt, was Krankheiten zu begünstigen scheint. Manche Bakterienstämme können besser Kohlehydrate aufspalten und Zucker besser abbauen und dem Körper schneller zur Verfügung stellen. Dafür können diese Typen z.B. nicht so gut Eiweiße aufspalten. Bei Fleischessern dominiert meist Bacteroides im Darm, bei Vegetariern dagegen Prevotella. Unsere Darmbakterien verwerten Nahrung unterschiedlich aufgrund ihrer Zuständigkeit und Team-Zusammensetzung. Das heißt nicht automatisch das man als Fleischesser nicht Vegetarier werden kann, sondern dass man die Umstellung am besten Darm-Typ gerecht gestaltet.

Der Darm – und sein Mensch

„Wenn wir jedem Individuum das richtige Maß an Nahrung und Bewegung zukommen lassen könnten, hätten wir den sichersten Weg zur Gesundheit gefunden.“

Hippokrates

Vielen Menschen dämmert es bereits, dass, wollen sie gesund sein, sie nicht an ihrem Darm vorbeikommen. Und ihnen dämmert, dass es ohne Eigeninitiative nicht geht. Wer seinen Darm kennt, sich entsprechend ernährt, sich dabei auch ausreichend bewegt und sich auch noch etwas Ruhe gönnt, tut bereits eine ganze Menge, auch für sein emotionales Wohlbefinden und darf auch mal mit Genuss „sündigen“.

Selbst für Menschen, die sich gesund fühlen und auch selbst für die, die sich bereits bewusst ernähren, ist es sinnvoll, den Darm-Typ bestimmen zu lassen. Über eine Optimierung freut sich jeder Darm. Bei den U-Untersuchungen der Kinder müsste auch eine Darm-Typ-Bestimmung obligatorisch sein. Es würde die Eltern befähigen ihr Kind so zu versorgen, wie es seinem Darm-Typ entspricht, was sich auf die physische und auch psychische Gesundheit des Kindes und des späteren Erwachsenen positiv auswirken würde. Wenn ein Darm-Typ z.B. vegane Kost nicht gut verwerten kann, tut man seinem Darm und seinem Körper auf Dauer keinen Gefallen und läuft sogar Gefahr sich fehl zu ernähren, mit entsprechenden Folgen.

Die Ernährung sollte auf den entsprechenden Darm-Typ abgestimmt sein. Wer seinen Darm kennt und sich entsprechend ernährt, tut bereits eine ganze Menge für sein physisches und emotionales Wohlbefinden.

Der teure Darm – im Unternehmen

„Der Weg zur Gesundheit führt durch die Küche, nicht durch die Apotheke.“

Sebastian Kneipp

Können Unternehmen bzw. Betriebsrestaurants eine darmgerechte Ernährung anbieten? Wie müsste diese aussehen? Ist das überhaupt möglich? Vielleicht ist ein ausgewogenes und gleichzeitig gezieltes Angebot, das möglichst auf verschiedene Darm-Typen und -bedürfnisse ausgerichtet ist, ein gangbarer Weg. Auf jeden Fall wäre es eine gezielte und gesunde Herangehensweise.

In Betriebsrestaurants wird auf Allergene im Essen hingewiesen. Dieser Hinweis ist seit Jahren sogar vorgeschrieben, weil es kaum noch einen gesunden Darm gibt. Die Älteren unter den Lesenden wissen, dass es das früher kaum gab. Um ein solches Speisenangebot anbieten zu können, müssten die Betreiber und Köche entsprechend geschult und beraten werden.

Ein darmfreundliches Speisenangebot zielt weniger auf die gewohnheitsmäßigen Gelüste und Vorlieben der Menschen ab als vielmehr darauf, welche Stoffe der Organismus braucht. Natürlich darf das auch gut schmecken. Eine darmfreundliche Ernährung kann entscheidend dazu beitragen, den Darm und damit auch das Immunsystem zu stärken. Neben dem Verzicht auf stark verarbeitete Lebensmittel und der Reduzierung von „schlechten“ Fetten sowie Zucker sind vor allem vitalstoffreiche Lebensmittel empfehlenswert.

So wären Hinweise auf den Gehalt von Vitaminen, Mineralstoffen oder Spurenelemente im Essen und der Information was diese bewirken, neben der vorgeschriebenen Allergenliste, eine gute Botschaft für den Konsumenten, der dann gezielter das Essen wählen könnte, das ihm gut tut.

Vitalstoffe sind unser täglicher Treibstoff. Ohne Vitalstoffe kommen auch die Stoffwechselvorgänge in unserem Organismus zum Erliegen. Ohne Mineralstoffe wie Magnesium können die Muskeln nicht richtig arbeiten. Ohne Calcium verlieren die Knochen an Stabilität und ohne Vitamin C, Zink und Selen arbeitet unser Immunsystem nur eingeschränkt. Dies sind nur einige Gründe dafür, weshalb es sinnvoll ist, ein Speisenangebot mit der Ausrichtung darauf, was gefördert und gestärkt wird und nicht nur darauf, was es nicht enthält, auszurichten.

Betriebsrestaurants, die z.B. fermentierte Lebensmittel anbieten, wären in punkto Gesundheit ganz vorne dabei. Fermentierte Lebensmittel leisten einen wichtigen Beitrag zur Darmgesundheit. Bei dieser sehr alten Methode für die Konservierung und Herstellung von Lebensmitteln entstehen außer Säuren auch schmackhafte Aromen und wertvolle Inhaltsstoffe. Nützliche Lebendkulturen wie Milchsäurebakterien vermehren sich und Vitamine bleiben erhalten. Viele Lebensmittel, wie beispielsweise Sauerkraut, Rote Beete, Kimchi, Kefir und Miso lassen sich fermentieren.

Eine Angebotsumstellung, die das Bewusstsein der Konsumenten auf „was kann ich selbst tun“ lenkt, ist teuer. Und hier kommt der größte limitierende Faktor ins Spiel – der Mensch mit seinen Vorstellungen darüber, wie viel eine gesunde Ernährung kosten darf.

Und damit steht auch die Frage im Raum, bis wohin ein Unternehmen seinen Mitarbeitenden in dieser Hinsicht entgegenkommen kann und ab wo der Mitarbeiter seinen Teil zu seinem leiblichen Wohlbefinden selbst leisten müsste.

Neben der Bereitschaft seiner Ernährung Mehr-Wert zu geben, braucht es auch ein gewisses Grundverständnis dafür was jeder für die eigene Gesunderhaltung tun kann. Und daran hapert es. Hier gibt es noch viel nach- und aufzuholen.

Wenn die Kosten für das Verdauungssystem mit 41,6 Milliarden Euro an dritter Stelle noch vor den Kosten für Rücken- und andere Muskelerkrankungen, liegen, wie Dieter Boch in seinem Blogbeitrag schreibt (und das Statistische Bundesamt hier ausweist), kann etwas gewaltig nicht stimmen.

Es ist sinnvoll und wichtig, dass Unternehmen darauf reagieren und Hilfen, Ratschläge und Einrichtungen im Büro für Menschen mit Krankheiten des Verdauungssystems anbieten! Wenn Unternehmen, neben den Angeboten zur Vorbeugung von Bewegungsdefiziten, sich auch um Angebote bemühen, Erkrankungen des Verdauungstraktes vorzubeugen und dazu auch eine gesunde Ernährung anbieten, spricht in jedem Fall für das Unternehmen.

Nur irgendwann stellt sich die Frage der Verhältnismäßigkeit, der Leistbarkeit, der Zuständigkeit – und der Ursachen. Unternehmen baden vieles von dem aus, was die Gesundheitsindustrie verursacht und verantworten müsste, aber nicht tut. Und sie werden immer mehr zu einem Auffangbecken für die Versäumnisse der Gesellschaft. Zugegeben, nicht in jedem Unternehmen steht das Wohlbefinden der Menschen mit an erster Stelle. Aber bei nicht wenigen.

Ein auf verschiedene Darm-Typen und -bedürfnisse ausgerichtetes Betriesbrestaurant ist eine gezielte und gesunde Herangehensweise zur Unterstützung der Gesundheit von Mitarbeitenden.

Die ungewollte Erbschaft

Unternehmen erben die Ergebnisse jahrelanger Versäumnisse und Unterlassungen. Viele Faktoren haben dazu beigetragen:

  • Eine “Gesundheits”-Industrie, die den Menschen zu einem nicht reflektierten Medizinkonsum erzieht.
  • Ein Erziehungssystem, das den natürlichen Bewegungsdrang der Kinder fast schon unterdrückt und kaum gehirngerechte Lehrmethoden anwendet.
  • Ein Schulsystem, das Schülern nicht ausreichend beibringt, Stress zu regulieren und mit Konflikten umzugehen.
  • Eine Digitalisierung, die die Menschen mit Reizen überschüttet und dadurch den Zugang zu sich selbst erschwert.
  • Eine zunehmend freudlose Leistungsgesellschaft, die an der Psyche nagt.
  • Und nicht zuletzt die Haltung nicht weniger Mitarbeiter, die sich lieber bei jedem Zipperlein krankschreiben lassen und aus eigenem Antrieb nicht bereit sind, etwas für sich zu tun, um unnötige Krankschreibungen zu vermeiden.

Zu hart formuliert? Die Kosten sprechen für sich.

Der teure Darm – (k)ein Happy End?

Leider kann ein Unternehmen nicht darüber entscheiden, ob es das Erbe antreten will. Es ist gefordert, Wege zu finden mit dieser Erblast umzugehen, solange das System in dieser Form – höher, schneller, weiter – noch Bestand hat.

Aber es hat das Recht genauer hinzusehen, Ursachenforschung zu betreiben, alles zu hinterfragen und den für sich passenden Weg hin zu einem gesunden und resilienten Unternehmen einzuschlagen und zu verfolgen.

Immer mehr Unternehmer:innen erkennen die Zusammenhänge und haben den Mut, sich neu zu erfinden, weil sie wissen und spüren, dass das alte System in dieser Form austherapiert ist und kollabieren muss. „Bevor etwas besser werden kann, wird es oft erstmal schlechter – aber dann wird es richtig gut.“

Über die Autorin

Khristin D. Randazzo ist Inhaberin der holicon – holistic concepts® sowie Beraterin des iafob deutschland. Ihre Schwerpunkte liegen dabei auf Raumkonzeption mit Gesundheitsförderung und modernen Arbeitslandschaften.