Zukunftsfähige Arbeitswelten: Wie wir New Work implementieren können

Derzeit stehen quasi alle Unternehmen vor der Herausforderung, NEW WORK zu implementieren. Doch wie? Noch wisse niemand so genau, wie sich die Arbeitswelt entwickeln wird, so liest man in vielen Veröffentlichungen.

NEW WORK ist seit Jahrzehnten in der Diskussion. Frithjof Bergmann, ehem. Ann Harbor University of Michigan, hat den Begriff „Neue Arbeit“ schon vor über 40 Jahren verwendet. Zentrale Werte der „Neuen Arbeit“ sind bei ihm Selbstständigkeit, Freiheit, Teilhabe an Gemeinschaft und Sinnhaftigkeit der Arbeit.

Wir wissen – spätestens seit der Pandemie, die die Entwicklungen beschleunigt hat – wie sich die Arbeitswelt verändern wird. Hybrides Arbeiten wird bestehen bleiben, denn diese Entwicklung gab es schon vorher. Damit aber Arbeit als ein Element des Lebens Spaß macht und die Methoden von New Work umgesetzt werden, gibt es noch viel zu tun.

Schon 2016 sagte Prof. Dr. Tatjana Schnell von der Universität Innsbruck auf der iafob deutschland Jahrestagung, dass 36 Prozent der Vorstandsmitglieder und sogar 72 Prozent der mittleren Manager einen Sinn in der Arbeit vermissen.

Sinnerfüllung sagt 66 Prozent des Arbeitsengagements vorher. „Denn zu arbeiten, etwas zu gestalten, sich selbst zu verwirklichen, liegt in der Natur des Menschen. Von neun bis fünf in einem Büro zu sitzen und dafür Lohn zu bekommen nicht“ (Richard David Precht: „Jäger, Hirten, Kritiker“, Goldmann Verlag, 2018).

NEW WORK: Eine Herausforderung für Unternehmen

Die Digitalisierung der Lebens- und Arbeitswelten wird unser gesellschaftliches Zusammenleben verändern, das laut Precht nur in den Griff zu bekommen ist, wenn die Weichen heute gestellt werden und wir unser Gesellschaftssystem konsequent verändern.

Schon vor der Pandemie haben wir über eine Veränderung, eine Neuorientierung unser Arbeitskultur diskutiert. Und viele Organisationen hatten auch schon davor hybride Arbeitsformen, Homeoffice, Arbeitszeit- und Arbeitsortflexibilität. Inzwischen ist Homeoffice, dort wo möglich, zur Normalität geworden.

Wir sprechen aber immer noch von zwei „Welten“, einer Lebens- und einer Arbeitswelt und dass die Grenze zwischen Arbeit und Privatleben verschwimmt. „Wo hört Arbeit auf, wo fängt Leben an?“  konnte man in einem Artikel der Zeitschrift CIO 2018 lesen.

Arbeit ist ein Teil des Lebens, der nicht vom restlichen Teil zu trennen ist. Wir haben diese Definition der Arbeit in den letzten zwei Jahrhunderten durch die Industrialisierung verlernt. Arbeit fand früher in einem Kontinuum aller Lebensbereiche statt, Arbeit war immer ein Teil des Lebens. Erst die Industriegesellschaft (ab 1774) hat die negativen Veränderungen gebracht, Arbeit als „Pflicht“ angesehen und unterteilt in Leben und Arbeit. Den Begriff Arbeitszeit gibt es beispielsweise erst seit gut 200 Jahren.

Heute haben wir Betriebsvereinbarungen, Regelungen z.B. zur effizienten Nutzung der IT und Videotechnik in hybriden Meetings. Eine Zusammenarbeit, eine Kooperation bedarf aber – im Sinne von NEW WORK – einer Begegnung auf Augenhöhe, der gegenseitigen Rücksichtnahme und dem Aufbau von Vertrauen. Die Selbst- und Mitbestimmung des Einzelnen erfordert ein Gleichgewicht zwischen organisationsgebundenen  Flexibilitätsanforderungen der Arbeit und den individuellen Flexibilitätsbedürfnissen im Privaten.

Gesellschaftliche Herausforderungen: Die Auswirkungen von Leistungsdruck und psychischer Gesundheit

Prof. Dr. Thomas Rigotti zeigt in seinem Interview zur iafob deutschland Jahrestagung 2018 auf, welche gesellschaftlichen Werte einer Umorientierung bedürfen. Der Leistungsbegriff werde beispielsweise überbetont, die aufgewendete Energie, aber vor allem die benötigte Zeit eher heruntergespielt. Mit fatalen Auswirkungen auf Gesundheit und Motivation.

Aktuell nehmen die Arbeitsausfälle wegen Depression, Angststörung und chronischer Erschöpfung laut dem Robert Koch Institut (RKI) massiv zu. Betrug die durchschnittliche Abwesenheit 2020 noch rund 33 Tage, so waren  es 2021 bereits 48 Tage  > 45 Prozent.

Bei psychischen Erkrankungen stieg der Anteil von Depression von 13 Prozent in 2021 auf 17 Prozent in 2022. In der Schweiz stieg die Zahl der stationären Spitalaufenthalte zwischen 2020 und 2021 wegen psychischer und Verhaltensstörungen bei Mädchen und jungen Frauen im Alter von 10 bis 24 Jahren um 26  Prozent, bei gleichaltrigen Männern um 6 Prozent (Bundesamt für Statistik, Bern). Zum ersten Mal waren psychische Störungen die häufigste Ursache für eine Hospitalisierung bei den 10- bis 24-Jährigen (19.532 Fälle).

Die Spitaleinweisungen aufgrund von Suizidversuchen nahmen in derselben Altersgruppe um 26 Prozent zu, die ambulanten psychiatrischen Leistungen im Spital um 19 Prozent. 9 Prozent der Gesamtbevölkerung leiden an Depressionen.

Lasst uns vom Sport lernen. Die einen schwärmen von ihrem tollen Team, wieviel Spaß die Zusammenarbeit macht und man sich deshalb täglich aufs Training freue, um mit den anderen gemeinsam spielen zu können und … sie werden Weltmeister.

Die anderen fordern in ihrem hierarchischen Verband, dass es wieder mehr Leistungsdenken geben müsse, es gäbe keinen Leistungswillen mehr und … sie scheiden in der Vorrunde eines Turniers aus.

Es geht nicht darum, „die nächste Weltmeisterschaft zu gewinnen“, Weltmarktführer zu werden, sondern Spaß bei der Arbeit zu haben, Spaß bei dem, was man tut, sich selbst zu verbessern, als Team zusammenzuarbeiten, dann stellen sich der (finanzielle) Erfolg, neue Ideen und Produktivität ganz von selbst ein.

Über den Autor

Dieter Boch, iafob deutschlandDieter Boch ist geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Arbeitsforschung und Organisationsberatung (iafob deutschland) und Leiter des internationalen Flexible.Office.Network., einem überbetrieblichen Forum für den Wissens- und Erfahrungsaustausch zur BüroArbeitswelt von Morgen. Als Dozent lehrte er an der Fachhochschule Salzburg und der Hochschule für Wirtschaft in Zürich Führungsverhalten und Future Work & Workplace Design. Der Diplom-Psychologe ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen und
Mitherausgeber der Buchreihe „Flexible Arbeitswelten“.