Wie können Unternehmen die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden bei mobilem Arbeiten fördern? Wie verändert sich Führung in Zeiten physischer Distanz? Welche Fähigkeiten sollten Führungskräfte von morgen für agile Arbeitsmethoden mitbringen? Und wie kann das Wohlergehen im Unternehmen und im Homeoffice dauerhaft gelingen? Diese und viele weitere Fragen diskutierten Expert*innen aus Wirtschaft und Wissenschaft bei der diesjährigen Jahrestagung des Instituts für Arbeitsforschung und Organisationsberatung (iafob deutschland). Zum ersten Mal fand die Konferenz als virtuelle Reise über vier Tage statt.
Mehr als 130 Interessierte aus Deutschland, Österreich, Luxemburg der Schweiz waren digital dabei, darunter 61 Prozent Frauen. 15 Referent*innen aus Universitäten, Instituten und Unternehmen – darunter zwei Drittel weiblich – teilten ihre Erfahrungen und diskutierten mit Führungskräften und Entscheider*innen. Unter dem Motto „Gesundes Arbeiten in Zeiten von Corona – im Homeoffice und im Business-Office“ konnten sich die Geschäftsführenden, Personalverantwortlichen, Facility Manager, Architekt*innen, Berater*innen und Wissenschaftler*innen auf Augenhöhe austauschen.
Unterstützt wurde die Jahrestagung von der Aeris GmbH, Création Baumann, Kinnarps, Nack Büroeinrichtungen GmbH und Wilkhahn.
„Die Corona-Krise macht vielen Menschen Angst. Aber Angst darf nicht unser Handeln bestimmen. Darum wollten wir den Teilnehmer*innen der Jahrestagung wertvolle Informationen und Anregungen, aber auch Zuversicht und Perspektiven geben, damit sie mit kraftvollen Impulsen in die neue Epoche der Lebens- und Arbeitswelt starten können“, beschreibt Dieter Boch, Geschäftsführer des iafob deutschland, das Ziel der Veranstaltung.
Psychisch und physisch gesund bleiben
Los ging es darum mit einem Vortrag zur Resilienz und der Frage, wie man trotz belastendem Stress psychisch gesund bleibt. Die Diplom-Psychologinnen Janne Brinkmann und Annegret Lohse stellten die sieben Säulen der resilienten Selbstführung vor und gaben mit vielen praktischen Übungen Einblicke darin, wie Resilienz aufgebaut werden kann. Ihre Aufforderung an die Teilnehmer*innen: „Heute ist der Tag, an dem sie sich stabilisieren, damit sie anschließend andere stabilisieren können.“
Prof. Kerstin Rieder, Professorin für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Aalen und Leiterin des Kompetenzcenter Angewandte Gesundheitswissenschaften, sprach darüber, wie mobiles Arbeiten gesund gestaltet werden kann. Sie warnte davor, dass Arbeitnehmer*innen zunehmend einer „interessierten Selbstgefährdung“ ausgesetzt seien, nämlich dem Impuls, gesundheitliche Risiken in Kauf zu nehmen, um Belastungen in der Arbeit bewältigen zu können. Dies führe zu „Präsentismus“: Obwohl man krank sei, arbeite man trotzdem. Gerade das Homeoffice führe zu zunehmender Entgrenzung der Arbeit: Es gibt keinen klar definierten Feierabend und die Arbeit ist immer präsent. Hier müssten Unternehmen nachsteuern und gemeinsam mit Mitarbeitenden und Führungskräften Regelungen für das mobile Arbeiten definieren, um dieser Belastung vorzubeugen.
Auch Arbeits- und Organisationspsychologin Eliane Obrist, die als Projektleiterin am iafob Zürich arbeitet, beschäftigte sich mit dem Thema Gesundheit. Sie stellte die Frage, wie gesund agiles Arbeiten sei und zeigte gesundheitliche Chancen und Risiken auf, die in agilen Settings für Mitarbeitende entstehen können. Ihr Fazit: Gerade in agilen Teams sei es wichtig, Zeitfenster für Reflexion zu nutzen und Teams zu sensibilisieren und weiterzubilden. Gerade Soft Skills seien in agilen Gruppen relevant, um durch gegenseitige Rücksichtnahme und Empathie gesundheitliche Risiken in selbstorganisierten Teams rechtzeitig zu bemerken.
Auch um die physische Gesundheit ging es auf der Jahrestagung des iafob deutschland. Josef Glöckl, Erfinder des Swopper und Gründer und Geschäftsführer der Aeris GmbH plädierte für mehr Bewegung im Büro. Ein „Aufstand gegen starres Sitzen“ würde uns allen helfen, unsere Leistungsfähigkeit zu steigern und lange gesund und beweglich zu bleiben. Aeris hat hierfür das Konzept des „Active Office“ erfunden, in dem man abwechselnd sitz und steht.
Leadership in neuen Settings
Unsere Arbeitswelt ist bestimmt von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität (unter „VUCA“ bekannt). Unter diesen Rahmenbedingungen verändert sich auch das Führungsverständnis. Prof. Sybillle Sachs, eine der Vorreiterinnen moderner Führung, Leiterin des Instituts für Strategisches Management an der Hochschule für Wirtschaft Zürich, beschrieb daher das Konzept der Ambidextrie, der Zweihändigkeit, die in Zukunft in der Leadership gefragt sei. Führungskräfte müssten einerseits Coach und Enabler sein, um ihre Mitarbeitenden zu unterstützen. Andererseits würden sie aber auch die Rolle als Follower annehmen müssen, wenn ein*e Mitarbeiter*in den Lead für ein Thema übernehme.
Was die VUCA-Welt ebenfalls erfordere: ein hohes Maß an Empathie. Jörg Rabe von Pappenheim, selbständiger Berater und ehemaliger Vorstand für Personal, Recht und Auslandsgeschäft der Datev eG., beschreibt Empathie als Kernkompetenz für Führungskräfte. „Empathiefähigkeit ist ein wichtiger Faktor, damit der Wandel gelingen kann“, so von Pappenheim. „Wir brauchen viel mehr Mitarbeitende, die eine Teamperspektive einnehmen und ein Commitment gegenüber dem Team, dem Unternehmen haben“. Dies entscheide über die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen.
Gestaltung von Homeoffice und Businessoffice
Neben der Gesundheit und dem Thema Leadership beschäftigte sich die Jahrestagung des iafob deutschland auch mit der Gestaltung von zukünftigen Arbeitsräumen.
Stefan Schütz von Création Baumann, einem Premium-Hersteller hochwertiger Stoffe und Systeme für die textile Inneneinrichtung, stellte Möglichkeiten vor, wie Unternehmen durch innovative Gestaltung und clevere Zonierung einen bestmöglichen Infektionsschutz sicherstellen können.
Prof. Hartmut Schulze von der Hochschule für Angewandte Psychologie an der Fachhochschule Nordwestschweiz betrachtete das Spannungsfeld zwischen Home- und Business-Office aus wissenschaftlicher Sicht. Anhand zahlreicher Studien erläuterte er, wie Unternehmen den passenden Mix zwischen mobilem Arbeiten und Präsenz schaffen können. Klar sei, dass es zukünftig beides geben werde: das Arbeiten von zu Hause und das Büro. Hierauf müssten sich sowohl Unternehmen als auch Büroplaner einstellen.
Dieser Meinung schlossen sich auch Annett Nack-Warenycia von Nack Büroeinrichtungen in Hamburg und Diana Rickwardt von der Feinbrand Agentur in Hamburg an: Hybrides Arbeiten werde zukünftig die Norm sein. Die beiden Change-Beraterinnen erläuterten, wie in diesen Settings New Work gelingen kann und wie unterschiedliche Menschentypen sich an den jeweiligen Arbeitsorten organisieren könnten, um gesunderhaltend zu arbeiten.
Flächen planen nach Corona
Welche Vorteile bringt das Büro zukünftig im Vergleich zum Homeoffice? Diese Frage beschäftigt derzeit viele Flächenplaner*innen und Unternehmer*innen. Katja Koritz, Kathrin Rensch und Muhtesem Shirin vom Büromöbelhersteller Kinnarps stellten die Herausforderungen an neu zu planende Flächen und mögliche Lösungsansätze vor. Ihr Fazit: Das Büro steht zukünftig vor allem für Begegnung, Austausch, den sozialen Kontakt zu Kolleg*innen, Teamwork und die kreative Zusammenarbeit. Büroflächen sollten daher genau diese Funktionen bestmöglich abbilden, um attraktiv und nützlich zu bleiben. Zudem vollziehe sich durch ein vielfältig gestaltetes Raumangebot der Wandel von klassischen Arbeitsweisen hin zu New Work.
Auch Burkhard Remmers vom Büromöbelhersteller Wilkhahn beschäftigte sich mit der Frage nach dem Büro der Zukunft. Wilkhahn hat hierzu in mehrjähriger Projektarbeit ein neues Konzept entwickelt, das den Menschen im Mittelpunkt sieht. Auf Basis internationaler Erfahrungen, vielfältiger Kundenprojekte und zahlloser Studien zu New Work entstand der „Human Centered Workplace“. Er nimmt vier Eckpunkte in den Blick: Kollaboration, Identität, Sinnstiftung sowie Gesundheit und Wohlbefinden.
Vier Tage intensives Tagungsprogramm – die Jahrestagung des iafob deutschland bot auch 2020 vielfältige Themen und anregende Vorträge. Mit viel Lob ging das Event am vergangenen Freitag zu Ende und kehrt im kommenden Jahr zurück – dann hoffentlich wieder als Präsenzveranstaltung oder in hybrider Form.