Neue Arbeits- und Organisationsformen bringen Chancen und auch Risiken für die Gesundheit der Mitarbeitenden mit sich.
Wie verändert sich die Arbeitswelt? Wie kann New Work Sinnhaftigkeit in die Arbeit bringen? Und welches ist der Schlüsselfaktor für Gesundheit am Arbeitsplatz?
Die Arbeitspsychologen Lea Waldner und Marcel Baumgartner von der Hochschule für Angewandte Psychologie FHNW in der Schweiz haben mit uns darüber gesprochen.
iafob: Die Digitalisierung der Lebens- und Arbeitswelten wird unser Zusammenarbeiten verändern. Wo seht ihr die Chancen und was sind die Risiken?
Lea Waldner: Die Digitalisierung bietet immense Chancen für das Arbeitsumfeld, indem sie Effizienzsteigerungen, Flexibilität und globale Vernetzung ermöglicht. Mitarbeitende können standortunabhängig zusammenarbeiten, was die Work-Life-Balance verbessern und die Vielfalt fördern kann. Zugleich bergen diese Veränderungen Risiken wie soziale Isolation, fehlende Abgrenzung zur Arbeit und Datenschutzbedenken.
Die Herausforderung liegt darin, diese Risiken proaktiv anzugehen, indem wir die digitale Kompetenz fördern, Herausforderungen im Umgang mit digitalen Medien transparent und besprechbar machen und den Menschen in den Mittelpunkt der digitalen Transformation stellen.
iafob: New Work will mehr Sinnerfüllung in das Arbeitsleben bringen. Wie kann das aus eurer Sicht gelingen?
Marcel Baumgartner: Um mehr Sinnerfüllung in das Arbeitsleben zu bringen, gibt es verschiedene Ansätze, die man verfolgen kann:
Purpose-Driven: Unternehmen können ihre Mission und Werte klar kommunizieren und sicherstellen, dass die Arbeit der Mitarbeitenden mit diesen Werten in Einklang steht. Mitarbeitende, die den Zweck ihrer Arbeit verstehen und sich damit identifizieren können, sind motivierter und fühlen sich erfüllter.
Autonomie und Verantwortung: Die beiden Begriffe werden bei New-Work-Ansätzen besonders betont und gelebt. Mitarbeitende sollten die Möglichkeit haben, ihre Arbeit zu gestalten und Entscheidungen zu treffen. Das gibt das Gefühl, die Kontrolle über ihre Arbeitssituation zu haben und kann zu einem grösseren Sinngehalt beitragen.
Entwicklungsmöglichkeiten: Persönliche und berufliche Entwicklungsmöglichkeiten bilden im Rahmen des lebenslangen Lernens oftmals einen Baustein von New-Work-Ansätzen. Die Möglichkeit zur Weiterentwicklung steigert das Engagement und die Zufriedenheit.
Positive Arbeitsumgebung: Eine Arbeitsumgebung, in der sich Mitarbeitende unterstützt fühlen und Raum für Selbstbestimmung haben, trägt zum Wohlbefinden bei. Ausserdem entsteht so auch ein Gefühl der Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns.
Life-Domain-Balance: Unternehmen, die Mitarbeitenden die Gelegenheit bieten, eine ausgewogene Balance zwischen verschiedenen Lebensbereichen herzustellen, tragen dazu bei, dass Stress und Belastungen reduziert werden. Die Vereinbarkeit steigert die Wahrnehmung der Sinnhaftigkeit der eigenen Arbeit, da diese als integrierte Life Domain wahrgenommen wird.
Indem Unternehmen diese Ansätze verfolgen und sicherstellen, dass ihre Mitarbeitenden sich gehört, geschätzt und unterstützt fühlen, können sie dazu beitragen, mehr Sinnerfüllung im Arbeitsleben zu erreichen.
iafob:Ihr seid bei unserem Workshop in Zürich dabei. Welche Erkenntnisse für ein gesunderes (Arbeits-)Leben werden die Teilnehmenden mit nach Hause nehmen?
Lea Waldner: In unserem Fokus steht insbesondere Resilienz als Schlüsselfaktor für Gesundheit. Wir differenzieren jedoch zwischen individueller Resilienz – der Widerstandsfähigkeit jedes Einzelnen – und der sogenannten Teamresilienz.
Letztere ist keineswegs lediglich die additive Summe der Resilienz aller Teammitglieder. Vielmehr konzentriert sich unser Interesse auf die teameigenen Ressourcen und auf die Mechanismen und Strategien, die das Team nutzt, um mit Herausforderungen und Störungen von unterschiedlicher Intensität, Frequenz und Dauer im Berufsalltag klarzukommen. Darüber hinaus werden wir eine praxisbezogene Strategie vorstellen, mit der diese Teamresilienz systematisch gestärkt und weiterentwickelt werden kann.
Nur eine Pause pro Tag – so sieht die Pausenkultur bei mehr als drei Vierteln der Befragten in Deutschland aus. Das geht aus einer Studie hervor (veröffentlicht im iga-Report 34), die für die Initiative Arbeit und Gesundheit 2018 erstellt wurde.
Die Länge dieser einen Pause: etwa 30 Minuten. Etwa die Hälfte bleibt währenddessen am Arbeitsplatz. Die anderen gehen essen oder spazieren. Nur diejenigen, die spazieren gingen, gaben an, dass sie sich dabei erholen.
Die Erholung war umso besser, je öfter sie spazieren gingen, sich mit Kolleg:innen unterhielten oder Gymnastikübungen machten.
Diejenigen, die am Arbeitsplatz blieben, nutzten i.d.R. soziale Medien oder den Bildschirm für private Zwecke. Jüngere Beschäftigte erlebten diese Pause als erholsam, während der Wert der Erholung für ältere Mitarbeitende gering war.
„Die Kunst des Ausruhens ist ein Teil der Kunst der Arbeit“, sagte einst der amerikanische Schriftsteller John Steinbeck.
Pausen sind als Ausgleich zu Beanspruchungsphasen für den Erhalt von Leistung und Gesundheit von zentraler Bedeutung.
Leistungssportler können nur dann Bestleistungen erzielen, wenn sie regelmäßig Pausen einlegen. Zum Trainingsplan gehört auch die Pausenplanung, die exakt eingehalten wird.
Der Wechsel zwischen Anstrengung und Pause, macht erst die Höchstleistungen möglich.
Prof. Dr. Ingo Froböse, Professor für Prävention und Rehabilitation an der Deutschen Sporthochschule Köln sagt:
„Anstrengung und Erholung gehören untrennbar zusammen. Nur wenn Sie sich zur richtigen Zeit Entspannung gönnen, bekommen Sie den Kopf wieder frei und den Körper wieder fit.“
Keine Zeit für Pausen zu haben, rechnet sich nicht. Denn im ermüdeten Zustand kommen keine Ideen und die Fehler häufen sich. Selbst kurze Pausen helfen bei der Regenerierung.
In seinem Buch „Power durch Pause“ gibt Prof. Froböse Tipps für Auszeiten von einer bis zu über 30 Minuten. Manchmal genügt eine Minipause, eine kurze Arbeitsunterbrechung, damit man wieder in den „Flow“ kommt.
Eine längere Pause verbunden mit Bewegung hilft, damit man sich wieder besser konzentrieren kann. Lange Pausen, wie z.B. der Feierabend oder noch länger der Urlaub, stellen einen deutlichen Wechsel zwischen „On“ und „Off“ dar und dienen der Gesundheit. Es ist ein Auftanken des leeren Akkus, was notwendig ist, um wieder Energie zu haben, um wieder Höchstleistungen bringen zu können.
Nur, wer die Möglichkeit hat, zwischendurch seine Akkus wieder aufzuladen, kann kreativ und motiviert arbeiten. Wir leben in unserer Wirtschaftsgesellschaft von Ideen und Innovationen. Nur diese bringen uns voran. Wir brauchen Kreativität, und die kann nur mit erholtem Geist entstehen.
Zahlreiche Pausen, sogar wenn sie nur wenige Minuten dauern, stärken das Herz, dienen der Erholung und individuellen Kontemplation.
Das kurze Tages-Nickerchen, Powernapping genannt, entlastet den Körper, beugt Erschöpfungszuständen vor, steigert die Leistung, wirkt sich positiv auf das Kurzzeitgedächtnis aus, erhöht Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit, baut Stress ab und schafft gute Laune.
Wissenschaftlich erwiesen ist, dass bereits zehn Minuten Schlaf zum Ausruhen des vegetativen Nervensystems reichen und dadurch zur Leistungssteigerung beitragen.
Cal Newport berichtet über ein Experiment des Psychologen Stephen Kaplan im Jahre 2008 an der Ann Arbor University of Michigan. Zwei Gruppen hatten eine konzentrationsintensive Aufgabe zu lösen. Beide Gruppen mussten die Arbeit unterbrechen und eine Pause machen. Die eine Gruppe musste auf einem Waldweg spazieren gehen, die andere machte den Spaziergang durch das lebhafte Stadtzentrum.
Ergebnis: Die Naturgruppe erbrachte bis zu 20 Prozent bessere Leistungen. Dieses Resultat blieb auch bestehen, als dieselben Personen in einem zweiten Experiment die Örtlichkeiten tauschten. Es waren also nicht die Menschen, die die Leistung bestimmten, sondern die Umgebung des “Pausenraums”.
Das Experiment bestätigte die Attention Restoration Theory (ART), wonach die Umgebung – insbesondere eine reizarme, naturnahe Umgebung – die Konzentrationsfähigkeit stärkt. Auszeiten füllen also die Energiereserven, die insbesondere bei der Aufmerksamkeit endlich sind, wieder auf.
Bei Ruhezonen für Pausen spielt auch der Bezug zur Natur eine entscheidende Rolle, wie das Experiment von Stephen Kaplan im Jahre 2008 belegt.
Die Urbanisierung führt dazu, dass die Menschen heutzutage 95 Prozent ihrer Zeit in Innenräumen, in städtischen Umgebungen verbringen (Human Spaces Report von Interface, 2015).
Die Folge: Mitarbeitende sehnen sich nach Ruhe und Entschleunigung, nach Auffüllen ihrer Energiereserven, die sie früher aus dem Erleben in der Natur gewonnen haben. Eine Gestaltung des Büros, die viel Naturelemente einbezieht, hilft dieses Bedürfnis zu befriedigen.
Quellen: Human Spaces Report von Interface, 2015; Flexible Arbeitswelten, Arbeiten in Zeiten der Pandemie – zwischen Coworking und Homeoffice, 2020, Zürich: vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich, Seite 58 ff.
Über den Autor
Dieter Boch ist geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Arbeitsforschung und Organisationsberatung (iafob deutschland) und Leiter des internationalen Flexible.Office.Network., einem überbetrieblichen Forum für den Wissens- und Erfahrungsaustausch zur BüroArbeitswelt von Morgen. Als Dozent lehrte er an der Fachhochschule Salzburg und der Hochschule für Wirtschaft in Zürich Führungsverhalten und Future Work & Workplace Design. Der Diplom-Psychologe ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen und Mitherausgeber der Buchreihe „Flexible Arbeitswelten“.
Warum reisen Menschen in Zukunft zu Live-Veranstaltungen – konkret: zu den Veranstaltungen des flexible.office.network? Das wollte das iafob deutschland von seinen Mitgliedern wissen und hat im April 2022 eine Umfrage durchgeführt. Geantwortet haben 28 Personen aus insgesamt 18 der 26 Mitgliedsunternehmen. Hier stellen wir Ihnen die Ergebnisse vor.
Die weltweite Corona-Pandemie, die Klimakrise und der Krieg in Europa haben das Leben und damit auch das Arbeitsleben verändert. Das Reiseverhalten ist ein anderes geworden.
Durch den verstärkten Einsatz virtueller Kommunikationsplattformen und digitaler Interaktionstools haben wir gelernt, zahlreiche Tätigkeiten vom physischen in den virtuellen Raum zu verlagern.
Das flexible.office.network. ist seit 20 Jahre erfolgreich, weil hier neuester wissenschaftlicher und praxisorientierter fachlicher Input geboten wird – und dies in anschaulicher Form durch Besichtigung von Best-Practice-Projekten. Der wahre Gewinn lag dabei bisher in dem professionellem, direkten, organisationsübergreifenden und vertrauensvollen Austausch bei den Live-Workshops.
Für die weitere Arbeit im flexible.office.network. ist es daher entscheiden, die Erfolgsfaktoren für Bildungsreisen zu kennen und zu erfahren, wie sie sich verändert haben. Hier die Ergebnisse.
1. Welche Argumente sind für eine physische Reise ausschlaggebend?
Am stärksten wurde betont, dass die reale Besichtigung von BüroArbeitswelten nicht virtuell zu ersetzen ist. Nur so bekommt man neue Ideen, nur so lernt man andere Lösungen wirklich kennen. Auch die Reise als Abwechslung zum Büroalltag und die Attraktivität des besuchten Ortes spielen – wenn auch nicht ganz so ausgeprägt – eine wichtig Rolle.
Stimmen zu dieser Frage (Auszug):
“Vertrauen baut sich nicht am Bildschirm auf. Virtuelle Treffen sind ein gutes Instrument eine bestehende Beziehung aufrecht zu erhalten. Gerade ein Netzwerk lebt aber auch von neuen Verbindungen die ich knüpfen kann und das gelingt über den Bildschirm ohne den persönlichen Kontakt einfach nicht.”
“Gerade Umgebungen wirken auf den Menschen nur live und vor Ort. Webmeetings finde ich zu einzelnen Themen ergänzend hilfreich. Für mich lebt ein Netzwerk vom persönlichen Austausch.“
2. Welche persönlichen Motive sind für eine Reise ausschlaggebend?
Menschen zu treffen, von denen man etwas lernen kann, der persönliche Kontakt und das Gespräch sind die entscheidenden Motive. Auch Kontakte pflegen durch physischen Kontakt und die Referent:innen persönlich zu erleben, spielt eine wichtige Rolle.
Stimmen zu dieser Frage (Auszug):
“Grundsätzlich besteht das Flexible.Office.Network. in seiner jetzigen Wirkung nur durch die direkten Treffen und das dabei gebildete Miteinander.”
“Der soziale Kontakt und Austausch ist ein wesentlicher Bestandteil des lebenslangen Lernens und als solcher, auch durch virtuelle Meetings, nicht zu ersetzen.”
“Den sozialen Kontakt kann man nicht virtuell ersetzen. Das geht bei absoluten Fachthemen einigermaßen gut, wenn diese rein sachlich diskutiert werden. Sobald aber ein sozialer Aspekt hinzukommt, ist es wichtig, sein Gegenüber zu sehen, seine Körpersprache zu deuten und seine Mimik zu erkennen.”
3. Welche Konsequenzen aus der gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation sind ausschlaggebend bei der persönlichen Entscheidung eine Reise zu unternehmen?
Hier zeigt sich in der Bewertung eine größere Spannweite. Sich nachhaltig (geringer CO2-Fußabdruck) zu verhalten, findet noch am ehesten Zustimmung, während das Gesundheitsrisiko durch Infektion und die Unsicherheit in Kriegszeiten, auf Reisen zu gehen, gering eingeschätzt wird. Auch spielt die Arbeitsbelastung eine wichtige Rolle, auf eine „Bildungsreise“ zu verzichten.
Selbstverständlich muss der Nutzen einer Reise die Kosten der Reise überwiegen. Aber der Gewinn einer „Bildungsreise“ liegt im persönlichen Kontakt und den Gesprächen und somit werden mehrtägige Reisen in ihrem Nutzen höher eingeschätzt.
Ein virtuelles Treffen kann nicht den persönlichen Austausch ersetzen, lediglich sachliche Informationen weitergeben.
Stimmen zu dieser Frage (Auszug):
“Präsenz muss in Corona-Zeiten auch verantwortbar sein, und das ist es derzeit für mich noch nicht.“
“Wie bereits angemerkt, müssen wir sehen, ob die Fahrzeit in einem verträglichen Verhältnis zur Veranstaltung stehen. Das ist bei eintägigen Reisen eher schwierig, vor allem, wenn die Fahrtzeit mehr als 4-8 Stunden beansprucht. Somit sind Entfernungen über ca. 150 km für Tagesveranstaltungen – und das ist die Regel in unserem Netzwerk von Hamburg bis Bern – eher schlecht.”
“Grundsätzlich bin ich schon eher für Live-Veranstaltungen, wenn sie sich mit der Reisezeit vereinbaren lassen. Allerdings kann ich dem Arbeitgeber nicht sagen, dass man schon am Tag vorher anreist, übernachtet, dann die Veranstaltung macht und wieder nach Hause fährt. Das lässt sich in einer Veranstaltung die über zwei Tage geht schon besser darstellen. Zumal, wenn ich ehrlich bin, die Gespräche, die am Abend in entspannter Atmosphäre stattfinden, sind oft sehr informativ und fördern bei neuen Mitgliedern die Zugehörigkeit zum Netzwerk mehr als ein Vortrag!”
“Zum Thema CO2-Footprint: äußerst wichtig, deshalb ist es auch unerlässlich sich zu überlegen, wie man anreisen möchte. Statt morgens mit dem Flieger, lieber am Vortag mit dem Zug, was man dann wiederum nutzen kann, um sein soziales Netzwerk zu pflegen.”
“Der Workload im Alltag ist so hoch, dass Livestreams oft von anderen Themen überlagert werden. Nur wenn ich mich für ein paar Tage aus dem Tagesgeschäft ausklinke komme ich dazu mich mit neuen, innovativen aber wirklich wichtigen Dingen zu beschäftigen.”
Fazit
Zielsetzung und Format der Workshops des flexible.office.network. wurden bestätigt. Wissenschaftlicher und praxisorientierter fachlicher Input zusammen mit Besichtigungen von BestPractice Projekten werden als die effektivste Form der Weiterbildung gesehen. Der vertrauensvolle Austausch bei den Live-Workshops gelingt am besten in mehrtägigen Treffen. Bei den Reisen sollte jede:r schauen, welche Art zu Reisen am klimaneutralsten ist.
Über den Autor
Dieter Boch ist geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Arbeitsforschung und Organisationsberatung (iafob deutschland) und Leiter des internationalen Flexible.Office.Network., einem überbetrieblichen Forum für den Wissens- und Erfahrungsaustausch zur BüroArbeitswelt von Morgen.
Als Dozent lehrte er an der Fachhochschule Salzburg und der Hochschule für Wirtschaft in Zürich Führungsverhalten und Future Work & Workplace Design.
Der Diplom-Psychologe ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen und Mitherausgeber der Buchreihe „Flexible Arbeitswelten“.
Etwa 15 Millionen Büroarbeitende gibt es in Deutschland und ein großer Teil davon arbeitet seit Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 daheim. Homeoffice, von der Regierung als Pflicht eingeführt für alle Bereiche, in denen es möglich ist, wird eines der Mittel zur Pandemiebekämpfung. Der Küchentisch wird zum Schreibtisch. Und siehe da, es funktioniert. Auch so wird gearbeitet, mehr als zuvor.
Zwei Jahre Pandemie haben zweierlei bewiesen: Erstens im Homeoffice wird hart und produktiv gearbeitet, oft sogar mehr als im Büro. Die Begeisterung für die Aufgabe ist unabhängig vom Ort.
Und zweitens: Für manche Aufgaben braucht man das Unternehmen nicht, weder Kolleg:innen noch Vorgesetzte noch Spezialausrüstung. Konzentriertes und fokussiertes Arbeiten lassen sich besser im Homeoffice durchführen, es gelingt besser, sich bewusst mal aus dem Kommunikationsfluss zurückzuziehen.
Viele Aufgaben erledigt man am besten allein und spart sich auch noch die unbezahlten und stressigen Stunden unterwegs auf der Straße oder Schiene. Millionen Menschen haben in den zurückliegenden Monaten erlebt, dass es so ist. Sie werden sich nicht mehr das Gegenteil einreden lassen.
Gruppendynamische Effekte finden nicht statt, wenn man sich nur am Bildschirm begegnet.
Zwei Jahre Pandemie haben ebenfalls bewiesen, dass Homeoffice allein meist nicht optimal ist. Das “sich in die Augen schauen“, das einander Vertrauen, kann sich nicht aufbauen. Gruppendynamische Effekte finden nicht statt, wenn man sich nur am Bildschirm begegnet. Projekte kommen mit Sicherheit langsamer voran. Die Qualität der Entscheidungen, die in einer Videokonferenz gefällt werden, ist eine andere.
Man hat mehr Arbeit im Homeoffice, dafür weniger Kontakte. Manche Aufgaben werden einfacher, wenn man sich mit Kolleg:innen austauscht, statt allein darüber zu brüten oder womöglich noch nebenbei Kinder zu betreuen. Um Ideen zu Innovationen werden zu lassen, braucht es den Austausch zwischen Menschen. Viele arbeiten daheim zudem länger, Arbeits- und Privatleben verschwimmen, wenn alles am selben Ort passiert. Das erleben viele inzwischen als Belastung.
Der Arbeitsort Büro hat einen ganz neuen Reiz entwickelt
Das Büro ganz aufzugeben und die Miete zu sparen wäre also unklug, denn daheim verlieren die Beschäftigten die Bindung ans Unternehmen. Die Identität mit dem Unternehmenleidet, Innovationskraft und Unternehmenskultur gehen verloren. Viele wollen auch zurück ins Büro, wenn auch nicht unbedingt jeden Tag.
Aber wie müssen die passenden Orte fürs Arbeiten außer Haus aussehen?
Dazu muss sich das Büro verändern, weg von einem Ort, an den die Mitarbeitenden hingehen, um Arbeit zu erledigen, hin zu einem Ort, an den sie gern kommen und der einen persönlichen Mehrwert für sie schafft.
Soziale Orte als Kontrast zum einsamen Homeoffice. Orte mit Identität anstelle namen- und gesichtslosem Office Design. Orte, die für Kreativität, Offenheit und Begegnung stehen. Orte, die man gern aufsucht, auch wenn man nicht muss.
„Bürogebäude“ müssen so attraktiv werden, dass die Menschen hier nicht nur arbeiten, sondern auch leben wollen. Alles soll nachhaltig sein, gebaut nach modernsten Niedrigenergie-Standards. Mit Pflanzen und Naturelementen wie Holz und „grünen“ Möbeln wird ein Wohlbefinden erreicht.
Und wenn alle darüber hinaus wissen, dass man sich als Team an einem oder zwei Tagen in der Woche im Büro trifft und austauscht, stärkt das die sozialen Bindungen. Und es stärkt die Bindung ans Unternehmen, an Kolleg:innen, daheim sinkt die Hemmschwelle sich woanders zu bewerben.
Rechtsanspruch auf Homeoffice ist ausgelaufen
Im März 2022 lief der Rechtsanspruch auf Homeoffice aus. Jetzt wieder zurück zum präpandemischen “business as usual”, also fünf Mal die Woche pendeln und eine Bürowelt von neun bis fünf?! Zwei Drittel aller Firmen wäre es das liebste so, heisst es vom Arbeitgeberverband BDA. Aber immerhin ein Drittel scheint das anders zu sehen, denn von vielen Unternehmen wurde es als ein Element des Flexiblen Arbeitens schon lange vor der Pandemie eingesetzt.
Heute glaubt kaum noch einer, dass es wieder so wird wie vorher: den ganzen Tag im Büro sitzen und das jeden Tag. Das war gestern. Morgen wird es anders sein, nur wie?
Wenn es also das alte Büro nicht sein soll, nur das Homeoffice aber auch nicht, was dann? Noch mehr Flexibilität und ein bisschen mehr Freiheit wäre ein Anfang, gepaart mit klaren Regeln. Jede:r kann ein Stück weit entscheiden, wann und wo er oder sie arbeitet.
Wie könnte es weitergehen?
Dazu ein paar Zitate aus einer kürzlichen Diskussion im flexible.office.network:
Ich persönlich denke, dass die Diskussion „Office vs. Homeoffice“ durch ist und eine ganz andere Diskussion, nämlich „Unternehmen vs. Arbeitnehmerrechte“ beginnen wird.
Die Frage, ob sich jemand zwei Stunden oder auch nur 20 Minuten zum E-Mails lesen im Office in den Stau stellt, wird zeitnah eine Frage sein, wie sich dieser Wert von Hochqualifizierten weiter entwickelt.
Ich glaube nicht, dass Arbeitnehmende sich von Aussagen des Arbeitgeber wie “Wenn du in Bali lebst, dann zahle ich dir auch nur ein balinesisches Gehalt” langfristig einschüchtern lassen.Klar sind das aktuell nur Angebote/Trends für bestimmte hochqualifizierte Mitarbeitende.
Wir leben in einer globalen Arbeitswelt und Knowhow von hochqualifizierten Mitarbeitenden ist viel Wert und stellt bestehende Standards in Frage. Das ist natürlich nicht für produktive Bereiche relevant, aber aus meiner Sicht für alle heiß umkämpften „IT-Fachkräfte“, etc., die eben auch von Produktionsunternehmen gesucht werden.
Hier wird nicht mehr gefragt, ob es ok ist, sondern nur wie es funktioniert: „Ich plane im April zwei Wochen von Buenos Aires aus zu arbeiten. Kannst du mir sagen, ob ich von dort aus meine Pulse-Secure Verbindung aufbauen kann?“
Begeisterung hat der Hochqualifizierte für das, was er in „Freiheit“ von Regelungen tut, nicht für einen Ort, nicht für eine schicke Eingangshalle, für ein schickes Büro.
In jedem Bewerbungsprozess kommt bei uns aktuell die Frage „Wie sieht bei Euch die Arbeitswelt nach dem 20.3. aus?”
Die Beharrungskräfte in vielen Unternehmen werden sich dagegen stemmen, gegen den Wandel und sie vergraulen damit die Hochqualifizierten. Besitzstandswahrung bei Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden sind stark ausgeprägt.
Die Relevanz eines Unternehmens-Office / Standorts ist nachhaltig in Frage gestellt! Es ist super spannend und der Ausgang bleibt offen.
Einige Beispiele aus der Praxis
Eine Projektleiterin eines Fachhändlers aus Stuttgart lebt seit ca. neun Monaten in Kanada und arbeitet von dort im Homeoffice. Ihr Lebenspartner hat dort einen neuen Job gefunden. Sie kommt alle 4-6 Wochen nach Stuttgart und arbeitet dann für eine Woche im Office. Sie wohnt dann in einem Hotel. Ihr Arbeitgeber will sie als Mitarbeiterin nicht verlieren. Alle Beteiligten sind zufrieden, das funktioniert sehr gut.
Ich habe in München einen Wohnungsnachbarn, der vor über drei Jahren nach München kam. Seit knapp zwei Jahren war er jetzt im Homeoffice. Er zieht wieder zurück nach Norddeutschland, ohne das Unternehmen zu verlassen. Er ist SW-Entwickler und ging immer ins Büro und hat dort mit seinen Arbeitspartnern in Asien und USA kommuniziert, nur nie mit den Kolleg:innen, mit denen er im gleichen Büro saß. Die knapp zwei Jahr im Homeoffice haben ihm gezeigt: Für seine Arbeit braucht er nicht den Ort. Er hat sich jetzt entschlossen, das teure München wieder zu verlassen, seinen Job kann er von überall machen.
Mein jüngster Sohn, Vater eines Einjährigen hat vor einem Jahr den Arbeitgeber gewechselt (und er hatte sich mein Arbeitszimmer schon angeeignet – wegen Corona) und es war für ihn wichtig einen neuen Job zu finden, wo Homeoffice absolut Usus ist. Bewerbung und Einstellung: alles online! Im Vertrag hat ihn die Firma dann gefragt, wie er sich das in Zukunft vorstellt. Wenn er mehr als drei Tage Homeoffice mache, dann stünde ihm kein fester Arbeitsplatz zu, dann muss er, falls er reinkommt, sich einen suchen. Er hat sich natürlich für mehr Homeoffice ohne festen Arbeitsplatz entschieden, da er nicht fahren will, öffentlich schon gar nicht und seinen Sohn auch aufwachsen sehen will. Nun, nach der Probezeit, hat er als weitere Bedingung gestellt, dass weiter für ihn Homeoffice als Grundprinzip gilt, was akzeptiert wurde und dass er auf 36 Stunden reduzieren kann, auch das wurde akzeptiert.
Meine älteste Tochter, die in einer Webagentur als Art Director ist, hat leider das Gegenteil erlebt. Sie hat keinen Laptop, sondern einen großen Rechner und wird dann immer mal wieder (trotz immer wieder Corona in der Firma ) hereinbeordert. Das sieht so aus, dass ihr Mann am Sonntag alles abholen muss, großen Rechner, Bildschirm und am Freitag dann umgekehrt wieder alles nach Hause karrt.
Die Microsoft Deutschland ERFOLGSFAKTOREN für eine hybride Arbeitswelt
Quelle: Claudia Hartwich, General Manager Human Resources, Microsoft Deutschland
Die Rolle des Büros neu denken
35 Prozent der Microsoft-Mitarbeitenden gaben in einer Befragung an, dass ihre grösste Herausforderung darin bestehe, zu wissen, wann und warum sie ins Büro kommen sollen.
Das Büro ist der Ort für Austausch und persönliche Kontakte
Raum schaffen für zufällige Begegnungen und spontane Treffen
Regeln für effektive Zusammenarbeit von Remote Work und der Arbeit vor Ort
Jedes Meeting sollte hybrid sein und Relevantes nur während gemeinsamer Termine besprochen werden
Beziehungsarbeit ist gefragt
47 Prozent der Microsoft-Mitarbeitenden gaben an, dass sie seit der Umstellung auf hybride Arbeitsformen weniger Freundschaften am Arbeitsplatz haben.
Dem Aufbau von Beziehungen muss in der neuen Arbeitswelt verstärkt Priorität eingeräumt werden
Führungskräfte sollten daran arbeiten, Silos aufzubrechen und den Austausch untereinander fördern
Interaktive Formate, Breakout-Sessions und digitale Kaffeepausen können dabei helfen
Flexibilität braucht Empathie und Vertrauen
Die Arbeit am Feierabend hat um 28 Prozent, am Wochenende um 14% Prozent zugenommen (Produktivitätstrend in Microsoft 365).
Führungskräfte sollten daran denken, die Gesundheit ihrer Beschäftigten nicht aus den Augen zu verlieren
Empathie, Vertrauen und ein regelmäßiger Austausch sind wichtig
Aktiv zuhören, sich gedanklich in den Mitarbeitenden hineinversetzen und daraus eigenes Handeln ableiten, sind dafür notwendig
Das Warum zählt
12 Prozent der Mitarbeitenden haben ihre Jobs in 2021 gekündigt. Gründe: persönliches Wohlbefinden, psychische Gesundheit, Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben.
Die Sinnfrage ist für die Mitarbeitenden essenziell geworden
Führungskräfte müssen verstehen, was es für mehr Zufriedenheit der Mitarbeitenden braucht
Gemeinsame Lösungen sollten für die Auflösung der genannten Kündigungsgründe erarbeitet werden
Führungskräfte stehen vor grossen Herausforderungen
51 Prozent der Leitenden Angestellten in Deutschland bezweifeln, dass die Unternehmensleitung die Erwartungen der Mitarbeitenden kennt. 66 Prozent sagen, sie hätten nur mangelhaften Einfluss auf die Bereitstellung von Ressourcen, um Veränderungen für ihr Team umzusetzen.
Die hybride Arbeitswelt lässt sich nur mit der Unternehmensleitung umsetzen
Die Unternehmensleitung muss die für eine Vertrauenskultur erforderlichen Fähigkeiten entwickeln
Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO), Homeoffice Experience 2.0
Quelle: Milena Bockstahler, Mitja Jurecic, Stefan Rief (IAO)
Veränderungen, Entwicklungen und Erfahrungen zur Arbeit im Homeoffice während der Corona-Pandemie, Ergebnisse der Befragung von 1.700 Beschäftigten zwischen Mai und August 2021.
Austausch mit Kolleg:innen als Motivation für eine Rückkehr ins Büro
Die Möglichkeit auf Kommunikation, Kollaboration und Zusammenarbeit mit Kolleg:innen und die Chance, sich informell auszutauschen, sind der häufigste Grund, weshalb es die Mitarbeitenden ins Büro zieht.
Trotz des starken Wunsches nach Austausch werden auch Rückzugsorte benötigt
Befürchtungen bestehen, dass im Büro eher Störungen bestehen und dass man aus dem Flow gerissen wird
Damit der Austausch erfolgen kann, müssen auch die anderen vor Ort sein, womit sich die Mitarbeitenden gegenseitig ins Büro ziehen; wenn das nicht gelingt, müssen hybride Besprechungs- und Projekträume sowie eine offen Lounge vorhanden sein
Erlebnisangebote für das soziale Zusammenkommen und zur Förderung der Kreativität sind anzubieten
Empfundene Produktivität bei Arbeiten von zu Hause nimmt zu
In der Studie vom Dezember 2020 gaben 39 Prozent, in der Befragung von August 2021, 44 Prozent an, dass sie zu Hause produktiver sind. Der Anteil jener, die im Büro produktiver sind, hat von Dezember 2020 zu August 2021 von 15 Prozent auf 30 Prozent zugenommen. Die Zahl der Befragten, die zwischen beiden Arbeitsorten keinen Unterschied sehen, hat von 43 Prozent auf 26 Prozent abgenommen.
Die Mitarbeitenden teilen sich im Hinblick auf den Arbeitsort und die Produktivität in zwei deutlich polarisierende Lager
Je besser die ergonomische und technische Ausstattung ist, desto mehr Tage wollen die Mitarbeitenden von zu Hause aus arbeiten. Technische Ausstattung ist noch wichtiger als Ergonomie
Homeoffice stärkt die Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben
Trotz der Polarisierung in Bezug auf die Produktivität geben sowohl diejenigen, die bevorzugt im Homeoffice arbeiten wollen als auch diejenigen, die das Büro vorziehen, an, dass sie seit der Pandemie Beruf- und Privatleben besser miteinander vereinbaren können.
Dienstag ist mit 55 Prozent der beliebteste, Freitag mit 32 Prozent der unbeliebteste Büroarbeitstag
Wie muss der Bürostandort sein, damit die Mitarbeitenden ins Büro kommen
An erster Stelle steht eine gute infrastrukturelle Anbindung; an zweiter Stelle eine gute Verpflegung. Es folgen Erholungs- Einkaufs- Sport- und Betreuungsmöglichkeiten = Attraktivität des Büros
Rückkehrbereitschaft ins Büro ist unabhängig vom Alter. Einzig die Gruppe der 50 -59-Jährigen zeigt eine leicht höhere Rückkehrbereitschaft
Fazit
Es ist und bleibt alles also widersprüchlich. Wir werden leben und arbeiten, wir werden forschen und produzieren, und das alles vernetzt miteinander, alles nah beieinander. Wir benötigen weniger Raum, wollen kurze, zeit- und kostensparende Wege, einen engen Kontakt mit den Mitmenschen. Und wir wollen einen Beitrag zum Umweltschutz leisten.
Denn Arbeit ist nicht mehr das, …
… was man hat, sondern das, was man tut.
… wohin man geht, sondern das, was man sich gestaltet.
… was man erledigt, sondern das, was man sich immer wieder selbst erschließt.
Über den Autor
Dieter Boch ist geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Arbeitsforschung und Organisationsberatung (iafob deutschland) und Leiter des internationalen Flexible.Office.Network., einem überbetrieblichen Forum für den Wissens- und Erfahrungsaustausch zur BüroArbeitswelt von Morgen.
Als Dozent lehrte er an der Fachhochschule Salzburg und der Hochschule für Wirtschaft in Zürich Führungsverhalten und Future Work & Workplace Design.
Der Diplom-Psychologe ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen und Mitherausgeber der Buchreihe „Flexible Arbeitswelten“.
Wie können Unternehmen die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden bei mobilem Arbeiten fördern? Wie verändert sich Führung in Zeiten physischer Distanz? Welche Fähigkeiten sollten Führungskräfte von morgen für agile Arbeitsmethoden mitbringen? Und wie kann das Wohlergehen im Unternehmen und im Homeoffice dauerhaft gelingen? Diese und viele weitere Fragen diskutierten Expert*innen aus Wirtschaft und Wissenschaft bei der diesjährigen Jahrestagung des Instituts für Arbeitsforschung und Organisationsberatung (iafob deutschland). Zum ersten Mal fand die Konferenz als virtuelle Reise über vier Tage statt.
Mehr als 130 Interessierte aus Deutschland, Österreich, Luxemburg der Schweiz waren digital dabei, darunter 61 Prozent Frauen. 15 Referent*innen aus Universitäten, Instituten und Unternehmen – darunter zwei Drittel weiblich – teilten ihre Erfahrungen und diskutierten mit Führungskräften und Entscheider*innen. Unter dem Motto „Gesundes Arbeiten in Zeiten von Corona – im Homeoffice und im Business-Office“ konnten sich die Geschäftsführenden, Personalverantwortlichen, Facility Manager, Architekt*innen, Berater*innen und Wissenschaftler*innen auf Augenhöhe austauschen.
Unterstützt wurde die Jahrestagung von der Aeris GmbH, Création Baumann, Kinnarps, Nack Büroeinrichtungen GmbH und Wilkhahn.
„Die Corona-Krise macht vielen Menschen Angst. Aber Angst darf nicht unser Handeln bestimmen. Darum wollten wir den Teilnehmer*innen der Jahrestagung wertvolle Informationen und Anregungen, aber auch Zuversicht und Perspektiven geben, damit sie mit kraftvollen Impulsen in die neue Epoche der Lebens- und Arbeitswelt starten können“, beschreibt Dieter Boch, Geschäftsführer des iafob deutschland, das Ziel der Veranstaltung.
Psychisch und physisch gesund bleiben
Los ging es darum mit einem Vortrag zur Resilienz und der Frage, wie man trotz belastendem Stress psychisch gesund bleibt. Die Diplom-Psychologinnen Janne Brinkmann und Annegret Lohse stellten die sieben Säulen der resilienten Selbstführung vor und gaben mit vielen praktischen Übungen Einblicke darin, wie Resilienz aufgebaut werden kann. Ihre Aufforderung an die Teilnehmer*innen: „Heute ist der Tag, an dem sie sich stabilisieren, damit sie anschließend andere stabilisieren können.“
Prof. Kerstin Rieder, Professorin für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Aalen und Leiterin des Kompetenzcenter Angewandte Gesundheitswissenschaften, sprach darüber, wie mobiles Arbeiten gesund gestaltet werden kann. Sie warnte davor, dass Arbeitnehmer*innen zunehmend einer „interessierten Selbstgefährdung“ ausgesetzt seien, nämlich dem Impuls, gesundheitliche Risiken in Kauf zu nehmen, um Belastungen in der Arbeit bewältigen zu können. Dies führe zu „Präsentismus“: Obwohl man krank sei, arbeite man trotzdem. Gerade das Homeoffice führe zu zunehmender Entgrenzung der Arbeit: Es gibt keinen klar definierten Feierabend und die Arbeit ist immer präsent. Hier müssten Unternehmen nachsteuern und gemeinsam mit Mitarbeitenden und Führungskräften Regelungen für das mobile Arbeiten definieren, um dieser Belastung vorzubeugen.
Auch Arbeits- und Organisationspsychologin Eliane Obrist, die als Projektleiterin am iafob Zürich arbeitet, beschäftigte sich mit dem Thema Gesundheit. Sie stellte die Frage, wie gesund agiles Arbeiten sei und zeigte gesundheitliche Chancen und Risiken auf, die in agilen Settings für Mitarbeitende entstehen können. Ihr Fazit: Gerade in agilen Teams sei es wichtig, Zeitfenster für Reflexion zu nutzen und Teams zu sensibilisieren und weiterzubilden. Gerade Soft Skills seien in agilen Gruppen relevant, um durch gegenseitige Rücksichtnahme und Empathie gesundheitliche Risiken in selbstorganisierten Teams rechtzeitig zu bemerken.
Auch um die physische Gesundheit ging es auf der Jahrestagung des iafob deutschland. Josef Glöckl, Erfinder des Swopper und Gründer und Geschäftsführer der Aeris GmbH plädierte für mehr Bewegung im Büro. Ein „Aufstand gegen starres Sitzen“ würde uns allen helfen, unsere Leistungsfähigkeit zu steigern und lange gesund und beweglich zu bleiben. Aeris hat hierfür das Konzept des „Active Office“ erfunden, in dem man abwechselnd sitz und steht.
Leadership in neuen Settings
Unsere Arbeitswelt ist bestimmt von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität (unter „VUCA“ bekannt). Unter diesen Rahmenbedingungen verändert sich auch das Führungsverständnis. Prof. Sybillle Sachs, eine der Vorreiterinnen moderner Führung, Leiterin des Instituts für Strategisches Management an der Hochschule für Wirtschaft Zürich, beschrieb daher das Konzept der Ambidextrie, der Zweihändigkeit, die in Zukunft in der Leadership gefragt sei. Führungskräfte müssten einerseits Coach und Enabler sein, um ihre Mitarbeitenden zu unterstützen. Andererseits würden sie aber auch die Rolle als Follower annehmen müssen, wenn ein*e Mitarbeiter*in den Lead für ein Thema übernehme.
Was die VUCA-Welt ebenfalls erfordere: ein hohes Maß an Empathie. Jörg Rabe von Pappenheim, selbständiger Berater und ehemaliger Vorstand für Personal, Recht und Auslandsgeschäft der Datev eG., beschreibt Empathie als Kernkompetenz für Führungskräfte. „Empathiefähigkeit ist ein wichtiger Faktor, damit der Wandel gelingen kann“, so von Pappenheim. „Wir brauchen viel mehr Mitarbeitende, die eine Teamperspektive einnehmen und ein Commitment gegenüber dem Team, dem Unternehmen haben“. Dies entscheide über die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen.
Gestaltung von Homeoffice und Businessoffice
Neben der Gesundheit und dem Thema Leadership beschäftigte sich die Jahrestagung des iafob deutschland auch mit der Gestaltung von zukünftigen Arbeitsräumen.
Stefan Schütz von Création Baumann, einem Premium-Hersteller hochwertiger Stoffe und Systeme für die textile Inneneinrichtung, stellte Möglichkeiten vor, wie Unternehmen durch innovative Gestaltung und clevere Zonierung einen bestmöglichen Infektionsschutz sicherstellen können.
Prof. Hartmut Schulze von der Hochschule für Angewandte Psychologie an der Fachhochschule Nordwestschweiz betrachtete das Spannungsfeld zwischen Home- und Business-Office aus wissenschaftlicher Sicht. Anhand zahlreicher Studien erläuterte er, wie Unternehmen den passenden Mix zwischen mobilem Arbeiten und Präsenz schaffen können. Klar sei, dass es zukünftig beides geben werde: das Arbeiten von zu Hause und das Büro. Hierauf müssten sich sowohl Unternehmen als auch Büroplaner einstellen.
Dieser Meinung schlossen sich auch Annett Nack-Warenycia von Nack Büroeinrichtungen in Hamburg und Diana Rickwardt von der Feinbrand Agentur in Hamburg an: Hybrides Arbeiten werde zukünftig die Norm sein. Die beiden Change-Beraterinnen erläuterten, wie in diesen Settings New Work gelingen kann und wie unterschiedliche Menschentypen sich an den jeweiligen Arbeitsorten organisieren könnten, um gesunderhaltend zu arbeiten.
Flächen planen nach Corona
Welche Vorteile bringt das Büro zukünftig im Vergleich zum Homeoffice? Diese Frage beschäftigt derzeit viele Flächenplaner*innen und Unternehmer*innen. Katja Koritz, Kathrin Rensch und Muhtesem Shirin vom Büromöbelhersteller Kinnarps stellten die Herausforderungen an neu zu planende Flächen und mögliche Lösungsansätze vor. Ihr Fazit: Das Büro steht zukünftig vor allem für Begegnung, Austausch, den sozialen Kontakt zu Kolleg*innen, Teamwork und die kreative Zusammenarbeit. Büroflächen sollten daher genau diese Funktionen bestmöglich abbilden, um attraktiv und nützlich zu bleiben. Zudem vollziehe sich durch ein vielfältig gestaltetes Raumangebot der Wandel von klassischen Arbeitsweisen hin zu New Work.
Auch Burkhard Remmers vom Büromöbelhersteller Wilkhahn beschäftigte sich mit der Frage nach dem Büro der Zukunft. Wilkhahn hat hierzu in mehrjähriger Projektarbeit ein neues Konzept entwickelt, das den Menschen im Mittelpunkt sieht. Auf Basis internationaler Erfahrungen, vielfältiger Kundenprojekte und zahlloser Studien zu New Work entstand der „Human Centered Workplace“. Er nimmt vier Eckpunkte in den Blick: Kollaboration, Identität, Sinnstiftung sowie Gesundheit und Wohlbefinden.
Vier Tage intensives Tagungsprogramm – die Jahrestagung des iafob deutschland bot auch 2020 vielfältige Themen und anregende Vorträge. Mit viel Lob ging das Event am vergangenen Freitag zu Ende und kehrt im kommenden Jahr zurück – dann hoffentlich wieder als Präsenzveranstaltung oder in hybrider Form.
Das Corona-Virus hat Wirtschaft und Gesellschaft weltweit zum Stillstand gebracht. Langsam treten die ersten Lockerungen in Kraft. Doch welche Maßnahmen treffen Unternehmen zum Infektionsschutz? Wie gehen sie mit Remote Work und Home Office um? Und was tun Firmen, um die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden nachhaltig zu fördern? Wir wollten es genauer wissen und haben Unternehmen hierzu befragt.
Eines vorneweg: Wir haben die Unternehmen gleich zwei Mal befragt. Einmal im März, als der Lockdown begann (16 befragte Unternehmen) und ein weiteres Mal Anfang Juni, als immer mehr Lockerungsmaßnahmen in Kraft traten (36 befragte Unternehmen). Dies gab uns die Möglichkeit, Besonderheiten im Verlauf herauszuarbeiten.
Maßnahmen ja – Investitionen nein
Alle von uns befragten Unternehmen haben sofort zu Beginn der Corona-Pandemie ihre vorhandenen Maßnahmen eingesetzt und erweitert. Allerdings sind in nur wenigen Firmen Maßnahmen geplant, die eine größere Investition erfordern. In allen Unternehmen gab es keine abwartende Haltung. In einigen wurde eine Task Force gebildet.
Gesundheit ist für den Einzelnen wichtiger geworden. Drei Monate Pandemie führten zu einer höheren Sensibilisierung der Mitarbeitenden für die Gesundheit.
Beim Infektionsschutz ergaben sich keine Änderungen der Einschätzung im März zu der im Juni. Die Annahme, dass Remote Work zukünftig stärker in den Fokus rückt, vergrößerte sich im Juni. Gesundheit ist für den Einzelnen wichtiger geworden, das sagten im Juni zwei Drittel, im März nur die Hälfte der Befragten. Drei Monate Pandemie führte zudem zu einer höheren Sensibilität des Mitarbeitenden für die Gesundheit. Nur die Hälfte glaubt in beiden Befragungen, dass sich am Stellenwert der Gesundheitsvorsorge in Unternehmen etwas ändern wird.
Maßnahmen zum Infektionsschutz
Bei der überwiegenden Zahl der Unternehmen müssen die Türen noch per Hand geöffnet werden. Ausnahme: die Tür am Gebäudeeingang. Die Tür zum Waschraum ist in allen Befragungen mit Hand zu öffnen. Nur zwei Unternehmen wollen hier sofortige oder langfristig Maßnahmen ergreifen.
In den meisten Unternehmen gibt es keine berührungslosen Armaturen, Seifenspender etc. im Waschraum. Es wurden aber sofort berührungslose Desinfektionsspender bzw. Desinfektionstücher an den Waschraum- und Eingangstüren installiert bzw. sind geplant. Fast überall bekam der Facility-Management-Dienstleister den Auftrag, Türklinken, Haltegriffe, Wasserhähne, Toilettenspülungen, Geldautomaten etc. mehrmals täglich zu reinigen und zu desinfizieren. Tipps für „richtiges Händewaschen“ sowie Hygienetipps im Intranet waren fast überall schon vorher vorhanden.
Gewinner des Lockdowns: Remote Work
In den meisten Unternehmen gehörte Homeoffice auch schon vor Corona zur Arbeitskultur. Nur drei Unternehmen führten Homeoffice erstmalig ein. Lediglich jedes zweite Unternehmen händigte den Mitarbeitenden „Tipps und Spielregeln bei Homeworking“ aus.
Fast alle Unternehmen sind überzeugt, dass Remote Work auch nach Ende der Pandemie-Einschränkungen viel stärker genutzt werden wird als vorher, wobei sich diese Einschätzung bei der zweiten Befragung verstärkt hat. Mitarbeitende, die Homeoffice erstmalig in Anspruch genommen haben, empfinden diese Arbeitsform als positiv und werden sie beibehalten bzw. einfordern. Diejenigen, die Homeoffice schon kannten, werden es gezielter nutzen.
Auch die verstärkte Nutzung von Videokonferenzen wird nach Überzeugung fast aller Befragten beibehalten werden. Geschäftsreisen werden durch die Unterscheidung nach Art der Meetings abnehmen. Außerdem glaubt die Mehrheit der Befragten, dass Webinare zukünftig einen Teil der stationären Weiterbildungsangebote ersetzen.
Gesundheitsförderung und Gestaltung der Büros unverändert
Beim Blick auf die Gesundheit ergibt sich eine deutliche Veränderung von der ersten zur zweiten Befragung. Die individuelle Beachtung der Gesundheit nimmt zu. Im Juni hat sie einen höheren Stellenwert. Drei Monate Pandemie haben zu einer höheren Sensibilität der Mitarbeitenden für die Gesundheit geführt.
Allerdings glaubt nur die Hälfte in beiden Befragungen, dass sich am Stellenwert der Gesundheitsvorsorge in Unternehmen etwas ändern wird. Die überwiegende Mehrheit der Befragten ist auch der Meinung, dass die Gestaltung der BüroArbeitsräume sich nicht nachhaltig verändern wird.
Knapp die Hälfte gibt an, dass Gesundheitsangebote zum Abbau von Stress offeriert werden, der durch die fehlende soziale Interaktion während der Kontaktbeschränkungen entstehen kann.
Unser Fazit:
Unternehmen haben zügig auf die von der Bundesregierung verordneten Einschränkungen reagiert. Schnell umsetzbare und kostenneutrale Maßnahmen wie Homeoffice, die Bereitstellung von Desinfektionsmitteln oder eine stärkere Beachtung von Hygieneregeln wurden in kürzester Zeit implementiert. Investitionen in bspw. automatische Türöffner werden derzeit aber noch gescheut.
Langfristige Auswirkungen der Corona-Pandemie sind vor allem im Bereich Homeoffice spürbar. Das Arbeiten von zuhause soll in den meisten Unternehmen ausgeweitet werden und wurde insgesamt als positiv beurteilt. Ob auch die Gesundheitsförderung langfristig von der Krise profitiert, ist noch nicht abschätzbar.
Unternehmen bemühen sich also darum, durch kurzfristig umsetzbare Maßnahmen den Betrieb bestmöglich aufrecht zu erhalten. Wieviele der Errungenschaften es tatsächlich in eine “neue Normalität” schaffen, wird die Zeit zeigen.
Immer wieder kontrovers diskutiert ist das Home Office fast über Nacht zum neuen Standard geworden. Wie effizient das Homeworking funktioniert, hängt aber vor allem von Umgebungsfaktoren und Verhaltensregeln ab.
Drehten sich die Kontroversen in Sachen Homeofffice und Teleworking über die Jahre hinweg vor allem um Fragen wie Work-Life-Balance, Arbeitgeberattraktivität, Kontroll-, Führungs- und Kulturfragen, ist in der Corona-Krise die Büro-Heimarbeit zur bevorzugten Option geworden – manchmal sogar zur einzigen Möglichkeit, um den Betrieb aufrecht zu erhalten. Wie gut, dass Internetanschluss und Smartphones im Privatleben mehrheitlich etabliert sind. Wie gut auch, dass viele Unternehmen die technischen Voraussetzungen geschaffen haben, um die Arbeit zu Hause zu ermöglichen.
Was im Büro räumlich vorhanden und in der Alltagsroutine gelernt ist, kann im Homeoffice nicht vorausgesetzt werden. Es geht dabei um Themen wie Abgrenzung zwischen Arbeit, Pause und Freizeit, um Konzentration und Diskretion, um Kommunikation und Erreichbarkeit – und nicht zuletzt um die Gesundheit.
Zuhause zur Arbeit gehen
Jeder weiß, wie wichtig Rituale in Alltagssituationen sind. Arbeit verlangt Professionalität und eine entsprechende Selbstkonditionierung. Das ist gar nicht so einfach, wenn Zuhause-sein-Zeiten normalerweise von Feierabend, Wochenende oder Ferien geprägt sind. Hier helfen die gleichen Routinen, wie im normalen Arbeitsalltag: Zu den Uhrzeiten wie immer aufstehen, sich wie für das Büro kleiden und vielleicht sogar ein paar Schritte vor die Tür gehen, bevor die Arbeit im Home Office beginnt. Das erleichtert den Übergang vom privaten in den professionellen Modus – und nebenbei signalisiert es auch Mitbewohnern deutlich, dass jetzt andere Spielregeln herrschen, auf die es Rücksicht zu nehmen gilt. „Mein Anzug ist mein Büro“, soll ein passionierter Heimarbeiter und erfolgreicher Architekt gesagt haben.
Den Heim-Arbeitsplatz definieren
Orte und Verhalten sind über das Unterbewusstsein eng verbunden. Es fällt schwer, auf einem Sofa, das zum Kuscheln und Entspannen dient, die richtige Arbeitseinstellung zu finden, von Ergonomiefragen ganz zu schweigen. Für die Arbeit zuhause braucht es zumindest einen Tisch – und sei es, dass er temporär dafür umgenutzt wird. Ein Esstisch mutiert zum Schreibtisch, wenn eine große Schreibunterlage aufgelegt wird. Die schützt vor Beschädigung, kann für eine angenehmere Haptik sorgen und signalisiert, dass der Tisch jetzt Arbeitsplatz ist. Wer freie Flächen in Diele, Wohn- oder Gästezimmer hat, kann auch zuhause zum Nomaden werden und dort arbeiten, wo gerade Platz ist und gute Bedingungen für Konzentration und Diskretion herrschen: Es gibt schön gestaltete und äußerst stabile Klapptische, die in Null-Komma-nichts aufgestellt sind und ansonsten kaum mehr Stauraum als ein Bügelbrett brauchen. Oder es findet sich noch eine Ecke für einen kompakten Tisch, der so neutral ist, dass er im Zweifelsfall den Esstisch für die Familienfeier erweitern kann.
Regeln und Zeiten vereinbaren
Wer sich im Büro sehen kann, entwickelt ein Gefühl für die Ansprechbarkeit des Anderen. Das entfällt im Homeoffice komplett und die Gefahr, ein unangemessenes Medium für den jeweiligen Bedarf bei Interaktionsgrad und Reaktionszeit zu nutzen, ist groß. Deshalb ist es wichtig, untereinander Regeln für die Kommunikationswege, die Arbeits- und Erreichbarkeitszeiten zu vereinbaren. In welchen Fällen ist eine E-Mail richtig, wann ein Chat, wann eine Video-Konferenz, wann ein Telefonat oder auch eine SMS? Und festgelegte Zeiten sorgen nicht nur für Struktur und entspanntes Arbeiten des Home-Workers, sie stellen auch für Mitbewohner klar, wann wieder ein Privat- und Freizeitmodus möglich ist.
Beim Sitzen in Bewegung bleiben
Sich bei der digitalisierten Arbeit ausreichend zu bewegen, ist schon im Büro herausfordernd. Wenn aber zuhause die Wege zu Küche und Toilette kurz sind und der Bewegungsraum für alle Bürotätigkeiten vollends auf Bildschirm, Tastatur und Maus reduziert ist, dann braucht es zusätzliche Bewegungsimpulse beim Sitzen. Ein guter Bürostuhl für dynamisches Sitzen ist hier ein Muss! Auf den neuen, dreidimensional beweglichen Bürostühlen reichen kleinste, unbewusste Gewichtsverlagerungen, um ganz automatisch die Gelenke gängig zu halten, die Muskeln zu versorgen und das Gehirn zu stimulieren.
Pausen einhalten
Last but not least sind feste Pausenzeiten ebenso wichtig wie feste Arbeitszeiten. Weil Meetings mit Raumwechseln und die gemeinsame Pause mit anderen fehlen, ist gerade im Homeoffice das Risiko groß, stundenlang am Rechner festzusitzen. Forschungen zeigen, dass Erholung nur im Wechsel zwischen Be- und Entlastung von Körper und Geist möglich ist. Der Kopf muss also zwischendurch abschalten, der Körper umgekehrt aktiviert werden.
Spazierengehen an der frischen Luft wirkt hier Wunder – und wenn das nicht möglich ist, dann sorgt ein Bewegungshocker für Aktivpausen, in denen die Hüfte kreisen und die Phantasie fliegen kann. Der macht Spaß und findet in der kleinsten Ecke Platz. Eines ist sicher: Es gilt für die Unternehmen, aus den Erfahrungen zu lernen und das temporäre Homeoffice als feste Größe in das Arbeitsplatzrepertoire aufzunehmen. Und dass heißt nicht zuletzt mitzuhelfen, dass die Voraussetzungen für gute Home Work geschaffen werden.
Über den Autor
Burkhard Remmers, studierter Germanist und Historiker, verantwortet seit 1995 bei Wilkhahn den Bereich Internationale Kommunikation und Public Relations.
Der Büromöbelhersteller erhielt nicht nur hochrangige internationale Designpreise sondern wurde bereits 1996 mit dem Deutschen Umweltpreis der Deutschen Bundesstiftung Umwelt ausgezeichnet.
Als Autor zahlreicher internationaler Fachpublikationen, Buchbeiträge und Vorträge gilt Burkhard Remmers als Experte für die Zusammenhänge von Architektur, Kommunikation, Ergonomie und Design im Kontext zukunftsfähiger Office-Konzepte.
Wir haben das Trauern verlernt. Der Tod wird in unserer Gesellschaft aus dem Leben verbannt. Daher erleben wir Verlust nicht mehr und lernen nicht mehr, mit Verlust umzugehen. Doch wo Neues entstehen soll, muss Altes weichen. Sich von Altem zu verabschieden geht nicht, ohne dass wir Liebgewonnenes betrauern und Vertrautes loslassen. Jede Veränderung braucht den Mut zur konstruktiven Zerstörung. Ein Plädoyer für mehr Trauerarbeit im Changemanagement.
Alle Changemanagement-Betreibenden berufen sich auf den amerikanischen Psychologen Kurt Lewin, der in den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts das Drei-Phasen-Modell für Veränderungen in der Gesellschaft beschrieb: Alte Struktur auftauen, bewegen und einfrieren zu einer Neuen Struktur.
Bereits Lewin hatte festgehalten, dass auch die neue Struktur wieder zu einer Alten wird und damit der Prozess von Neuem beginnen muss. Nur war damals der Wandel eine beherrschbare Größe, die sich in langen Zeiträumen vollzog.
Zeit war bis Mitte des letzten Jahrhunderts – also noch vor zwei bis drei Generationen – eine vertraute behagliche Größe. Es gab genug Zeit, ein Lebenswerk zu vollenden. Zeit, von der Schule über die Lehre und die Gesellenzeit durch langjährige Erfahrung zur Meisterschaft zu gelangen, zu einer anerkannten Autorität zu “reifen”.
Früher war“Neues” war erstaunlich, verwunderlich, abstoßend, willkommen, bedrohlich, verständlich – aber durch eine lange Inkubationszeit verdaubar.
Es war genügend Zeit vorhanden, technische Innovationen zu begreifen und in sein Leben zu integrieren. “Neues” war erstaunlich, verwunderlich, abstoßend, willkommen, bedrohlich, verständlich – aber durch eine lange Inkubationszeit verdaubar.
Für Kurt Lewin gab es keinen Grund, die neue Struktur sofort wieder in Frage zu stellen, sondern es war wichtig sich an das Neue zu gewöhnen, sich vertraut damit zu machen, es zu beherrschen und „lieb“ zu gewinnen.
Der Satz von Thomasi de Lampedusa aus dem 17. Jahrhundert „Wenn wir wollen, dass alles so bleibt wie es ist, dann ist es notwendig, dass sich alles verändert“ galt für Veränderungen, die einmal im Leben auftraten. Einmal im Leben musste man sich von Vertrautem, von Liebgewonnenem verabschieden, musste man „trauern“.
Man wusste, dass Veränderung innerhalb der Zeit und damit Wandel, ein Grundprinzip des Kosmos ist. Wandel der Jahreszeiten, Zellerneuerungen, Ebbe und Flut oder auch Leben und Tod sind konstante, wiederkehrende Veränderungen, die auf jeden zukamen und deshalb leicht zu akzeptieren waren.
Wandel und Verlust als ständige Begleiter des Arbeitslebens
Heute ist aus dem Drei-Phasen-Modell von Kurt Lewin ein kontinuierlicher Prozess geworden, den wir selbst steuern. Die Schaffung einer neuen Struktur ist der Startpunkt für ihre Infragestellung, für ihre Veränderung. Der Wandel und damit auch der Verlust sind ständige Begleiter des „Arbeitslebens“ geworden.
Heute hat der Wandel ein rasantes Tempo. Die Veränderungen kommen auf die meisten von uns zu. Wir bestimmen sie nicht. Wir legen nicht fest, wovon wir uns verabschieden müssen. Deshalb trifft uns der Verlust von Gewohntem unvorbereitet.
Changemanagement muss unterscheiden zwischen der Angst vor Verlust und der Angst vor dem Neuen.
Changemanagement muss unterscheiden zwischen der Angst vor Verlust und der Angst vor dem Neuen. Dies sind zwei Phasen, die unterschiedlich betrachtet und behandelt werden müssen. Angst vor Verlust erfordert „Trauerarbeit“. Angst vor dem Neuen erfordert Neugier wecken, Lust auf Abenteuer erzeugen und hoffnungsvoll in die Zukunft schauen.
Das Neue ist durch die Zielsetzung des Projektes bekannt. Das Neue soll erreicht werden. Changemanagement-Betreibende konzentrieren sich in ihrem Vorgehen häufig auf die zweite Phase: Das Ziel zu erreichen, den Mitarbeitenden das Neue als erstrebenswert darzustellen und vernachlässigen dabei, dass sich der Mitarbeitende erstmal vom Alten, vom Verlust freimachen muss.
Wo man hin will, wissen alle. Aber wo geht man los? Dies ist individuell sehr unterschiedlich. Denn die Trauer über den Verlust ist keine konstante Größe, sondern für jeden Einzelnen bezogen auf den „Trauergegenstand“ groß oder klein. Changemanagement-Betreibende referieren und/oder missionieren mit den Zukunftszielen, vergessen aber oft die Menschen in ihrem jeweiligen individuellen (Zu)Stand des Trauerns über den Verlust abzuholen.
Auch eine positive Veränderung bedeutet Verlust, weil Gewohntes, Liebgewonnenes aufgegeben werden muss.
Trauerarbeit besteht im Wesentlichen darin, loszulassen, den Sterbenden gehen zu lassen. Zur Trauerarbeit gehört. nicht nur den Verlust zu beklagen, nicht nur zurückzublicken, sondern den Blick auch nach vorne zu richten. Auch eine positive Veränderung bedeutet Verlust, weil Gewohntes, Liebgewonnenes aufgegeben werden muss. Die zweite Phase des Changemanagements ergibt sich daher von selbst, hat man die erste Phase richtig und ausreichend behandelt.
Wir müssen das Liebgewonnene, Vertraute loslassen können. Und das in einer Zeit, in der wir das Trauern eigentlich verlernt haben. Der Tod ist in unserer Gesellschaft aus dem Leben verbannt. Sterbende werden ins Krankenhaus abgeschoben. Wir erleben nicht mehr den Verlust, wir lernen nicht mehr, mit Verlust umzugehen.
Trauerarbeit gelingt besser in Gemeinschaft als allein.
Und Trauerarbeit gelingt auch besser in Gemeinschaft als allein. Der Leidensdruck, der durch den Verlust entstanden ist, setzt durch ein gemeinsames Problembewusstsein neue Kräfte frei und kann begeistern, schafft damit die Voraussetzung für Bewegung, den Blick nach vorn zu richten.
Wenn wir nicht wollen, dass der Wandel uns unvorbereitet trifft, müssen wir uns bewusst von Altem verabschieden, den Blick nach vorn richten und uns fragen: „Was bist du bereitvon gerade Vertrautem, von gerade Liebgewonnenem aufzugeben?“„Was sind wir bereit, über Bord zu werfen?“
Wir setzen uns dadurch bewusst mit dem Verlust auseinander. Wir entscheiden dann, welchen Verlust wir erleiden, über was wir „trauern“ müssen. Aber auch darüber, was uns bisher behindert, gestört, genervt hat und was wir gern loswerden wollen.
Jede Veränderung braucht den Mut zur konstruktiven Zerstörung.
Jede Veränderung braucht den Mut zur konstruktiven Zerstörung. Wir schaffen damit auch die Möglichkeit, dass etwas Neues entstehen kann. Denn wo soll sonst Neues entstehen, wenn das Alte nicht weicht. Ohne Minus kein Plus, ohne Weniger kein Mehr.
Fazit:
Wir sollen weg von „Besitzstandswahrung“, denn ewig währt kein Leben, keine Sache, kein Ding und hin zu: „Was gewinne ich?“.
Durch den Blick nach vorn gewinnt man Möglichkeiten, Chancen, bestimmt aktiv den Wandel und schaut nicht nur rückblickend auf den Verlust. Aber das gelingt nur, wenn man sich verabschiedet hat von dem Bisherigen.
Auch „Trauern“ braucht Zeit, genauso, wie sich an Neues zu gewöhnen. „Ein Grashalm wächst auch nicht schneller, wenn man daran zieht“, besagt ein chinesisches Sprichwort.
Changemanagement braucht Zeit. Es ist ein Reifeprozess in zwei Abschnitten: Erst geht es darum, den Verlust zu betrauern, danach darum, das Neue liebzugewinnen.
Über den Autor
Dieter Boch ist geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Arbeitsforschung und Organisationsberatung (iafob deutschland) und Leiter des internationalen Flexible.Office.Network., einem überbetrieblichen Forum für den Wissens- und Erfahrungsaustausch zur BüroArbeitswelt von Morgen.
Als Dozent lehrte er an der Fachhochschule Salzburg und der Hochschule für Wirtschaft in Zürich Führungsverhalten und Future Work & Workplace Design.
Der Diplom-Psychologe ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen und Mitherausgeber der Buchreihe „Flexible Arbeitswelten“.
In der Arbeitswelt erleben wir derzeit eine zunehmende Komplexität, die Auflösung alter Grenzen und die Umkehrung bisheriger Gesetzmäßigkeiten.Wir betreten eine Ära verschwimmender Organisationsgrenzen.
Der Begriff, der die schwierigen Rahmenbedingungen der Unternehmensführung am besten beschreibt, ist die Abkürzung VUCA. Zuerst wurde der Begriff vom amerikanischen Militär für die Kennzeichnung des modernen Krieges verwendet, bevor er seinen Weg in die neue Arbeitswelt fand.
VUCA steht für Volatility (Unbeständigkeit), Uncertainty (Unsicherheit), Complexity (Komplexität) und Ambiguity (Mehrdeutigkeit).
Für den Einzelnen bedeutet dies, dass er sich in einer Welt vielfacher, institutioneller Beziehungen bewegt und eine zunehmende Zahl von Identitäten ausfüllt. Die Anforderungen an Unternehmensind komplexer geworden. Wir erleben eine „Zeitscheren-Problematik“: Die benötigte Reaktionszeit bei wachsender Komplexität wird immer länger, die verfügbare Reaktionszeit bei zunehmender Dynamik immer kürzer.
“Grenzen lösen sich auf zwischen Führung, Kollaboration und Einzelarbeit.“
Aber das schneller zum Einsatz kommende Wissen entscheidet über den unternehmerischen Erfolg. Die Arbeit „flüchtet“ vor Regulierung, sowohl geografisch als auch in neue Arbeitsformen. Grenzen lösen sich auf zwischen Führung, Kollaboration und Einzelarbeit.
Führungsverhalten, Zusammenarbeit in verschiedenen (virtuellen) Teams und konzentriertes Vertiefen in eine Aufgabe wechseln sich ab. Ein permanenter Wechsel zwischen Coworking und Deep Work bestimmt den Arbeitsablauf und beides vermischt sich zu Deep Collaboration und Social Learning in Real und Digital Communities.
Zeit als neue betriebswirtschaftliche Größe
Ewige Gewissheiten gelten nicht mehr. Nicht Vernunft bestimmt unser Verhalten, sondern vor allem Emotionen. Neurobiologen gehen heute davon aus, dass das lymbische System, das sich seit 30.000 Jahren nicht verändert hat, unsere Entscheidungen und unser Handeln bestimmt.
Erfahrung und das Wissen der älteren Generation waren früher der Motor des Fortschritts. Heute fragt der Ältere den Jüngeren, wenn er Probleme mit seinem Smartphone hat.
Alles fließt. Seit Heraklit wissen wir, dass alles fließt – heute fließt es nur schneller. Der Begriff der Zeit hat sich im letzten Jahrhundert drastisch als neue betriebswirtschaftliche Größe neben Arbeit, Kapital und Rohstoffen angemeldet.
Der technische Fortschritt hat ein Tempo aufgenommen, wie es keine Zeit in der menschlichen Geschichte gesehen hat. Zeit war noch vor zwei bis drei Generationen eine behagliche Größe. Man hatte genügend Zeit zu lernen, technische Innovationen zu begreifen und in sein Arbeitsleben zu integrieren.
“Neues“ war erstaunlich, verwunderlich, verständlich, abstoßend, willkommen und bedrohlich – aber durch eine lange Inkubationszeit verdaubar.
Wandel als einzige Konstante
Wir haben es heute mit Veränderungen zu tun, die gleichzeitig mehrere Dimensionen menschlichen Erfahrens berühren: Neue Technologien und der Einzug des Internets in die Geschäftswelt und das Privatleben haben Raum und Zeit als Barrieren einer weltweiten Kommunikation auf einen Bruchteil ihrer bisherigen Bedeutung schrumpfen lassen. Aus der Welt ist ein Dorf geworden.
Es ist heute möglich, in Echtzeit Zeuge eines Ereignisses am anderen Ende des Globus zu werden oder riesige Datenmengen in Sekundenschnelle um die Welt zu schicken. Aus vielen einzelnen Gesellschaften entwickelt sich eine Weltgesellschaft, in der technologische Vorsprünge nur von kurzer Dauer sind und der Wandel als einzige Konstante bleibt.
Diese Veränderungen zu bewältigen stellt Forderungen an unser Wissen, Denken und Verhalten des Einzelnen und innerhalb der sozialen Gruppe. Die Anforderungen werden hervorgerufen und vehement empfunden durch Quantensprünge in den Kategorien Zeit, Konsequenz (Ausmaß) und Nachhaltigkeit.
Lernen als elementarer Bestandteil der Arbeit
Nimmt man heute eine mitteleuropäische Lebenserwartung von 78 Jahren, so spielen sich diese gravierenden Veränderungen in einem Fünftel einer Lebenszeit ab. Man schätzt, dass das globale Wissen der Menschheit sich in einer Dekade verdoppelt. Das heißt, alle Erkenntnisse seit Menschengedenken – Erfindungen, Produkte, wissenschaftliche Ergebnisse – werden in nur zehn Jahren durch eine ähnliche Menge angereichert – mit Potenzialen für noch schnellere Wissenshäufung.
Heute sinkt die Halbwertzeit des Wissens dramatisch. Ein Informatiker hat nach zwei Jahren nur noch 50 Prozent des Wissens, wenn er sich nicht weiterbildet. Lernen ist elementarer Bestandteil des Arbeitens.
Bewegung statt Sitzen
Arbeitsmedizinische Erkenntnisse, die für die gewerbliche Arbeit galten, sind heute bei Büroarbeitsplätzen nicht mehr gültig. Die Ergonomie der vergangenen Jahrzehnte lehrte uns „das richtige Sitzen“. Doch die richtige Sitzhaltung gibt es nicht. Ob Muskulatur, Knochen oder Gelenke, ob Herz-Kreislaufsystem oder Hirnaktivität: Der Organismus braucht Bewegung. Im digitalen Zeitalter ist mehr Bewegung angesagt, damit Sinne und Muskeln nicht degenerieren.
“Schon wer zum Telefonieren aufsteht, nimmt geistig eine andere Perspektive ein. Und das ist die Voraussetzung, um innovativ zu sein.“
Bewegung ist nicht nur gesundheitserhaltend, sondern öffnet einen neuen Blick auf die Arbeitsanforderungen, erweitert den Horizont und schafft Raum im Kopf für neue Ideen. Der Großteil ihrer Ideen bekommen Mitarbeitende im Austausch mit anderen – und zwar auf den Gängen, in der Kantine, in der Kaffeeküche oder im Druckerraum. Schon wer zum Telefonieren aufsteht, nimmt geistig eine andere Perspektive ein. Und das ist die Voraussetzung, um innovativ zu sein.
Ebenso wichtig sind neu gestaltete Pausen. Auch Pausen sind Bestandteil des Arbeitens, sie sind als Ausgleich zu Beanspruchungsphasen für den Erhalt von Leistung und Gesundheit von zentraler Bedeutung. Regelmäßige Pausen – sogar wenn sie nur wenige Minuten dauern – stärken das Herz, dienen der Erholung und der individuellen Kontemplation.
Die Arbeit ist nicht mehr geprägt von „Schweiß und Stress“, sondern orientiert sich an Selbstverwirklichung und Spaß. Eine Werteumkehrung bei der Frage „Warum geht ihr arbeiten“ ist erfolgt. Die junge Generation arbeitet nicht mehr für Geld, Status und Macht, sondern strebt nach Sinnhaftigkeit, Selbstverwirklichung und einem attraktiven Arbeitsumfeld.
Andererseits gibt es eine Rückbesinnung auf alte Werte. Früher, vor Beginn der Industrialisierung, fand Arbeit in einem Kontinuum statt, von Otium (Muße) zu Negotium (=Nicht-Muße). Das Industriezeitalter erfand den Begriff der Arbeitszeit, man konnte mit Muße wenig anfangen. Und damit ist viel an Lebensqualität verloren gegangen.
“Ohne Arbeit ist der Mensch unvollkommen.“
und kehren damit zu dem uralten Begriff der Arbeit zurück. Ohne Arbeit ist der Mensch unvollkommen. Arbeit gibt dem Leben einen Sinn, wir schöpfen Sinn aus der Arbeit. Dazu müssen wir allerdings alle Formen von Arbeit sehen (Erwerbsarbeit, Eigenarbeit, Sozialarbeit, Bürgerarbeit, Familienarbeit).
Die Balance der verschiedenen Lebensbereiche gilt es in Einklang zu bringen. Frithjof Bergmann hat die Diskussion mit seinem Begriff „New Work“ dazu angestoßen.
Sie möchten erfahren, wie der Workplace der Zukunft entsteht und sich mit anderen Experten dazu austauschen? Dann kommen Sie zu unserer Jahrestagung 2020.
Über den Autor
Dieter Boch ist geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Arbeitsforschung und Organisationsberatung (iafob deutschland) und Leiter des internationalen Flexible.Office.Network., einem überbetrieblichen Forum für den Wissens- und Erfahrungsaustausch zur BüroArbeitswelt von Morgen.
Als Dozent lehrte er an der Fachhochschule Salzburg und der Hochschule für Wirtschaft in Zürich Führungsverhalten und Future Work & Workplace Design.
Der Diplom-Psychologe ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen und Mitherausgeber der Buchreihe „Flexible Arbeitswelten“.
Ines Gensinger zählt zu den Vordenkern in der Diskussion zu Digital Leadership. Sie ist Mit-Autorin des Fachbuches „Netzwerk schlägt Hierarchie“ und für die weltweite Kommunikation bei der Global Legal Entity Foundation (GLEIF) verantwortlich. Zuvor leitete sie bei Microsoft Deutschland die Geschäftskunden- und Endanwenderkommunikation sowie den Bereich Analyst Relations.
Wir sprachen mit ihr über Eigenschaften, die ein Digital Leader mitbringen sollte und ob es in Zukunft überhaupt noch Chefs braucht. Am 26. November 2019 spricht Ines Gensinger auf der iafob-Jahrestagung in Kronberg/Taunus über Digital Leadership und darüber, welche Rolle Coaching als Mindset in der neuen Arbeitswelt spielt.
IAFOB: Sie sind Mit-Autorin des Buches „Netzwerk schlägt Hierarchie“. Darin geht es um Digital Leadership als neue Art der Führung. Was genau ist ein Digital Leader?
Ines Gensinger: Wer Digitalisierung sagt, sollte auch Digital Leadership sagen. Der Begriff steht für eine neue Führungskultur innerhalb der digitalen Transformation und nicht für einen Führungsstil, der allein die Technologie in den Fokus stellt. Es ist Aufgabe einer guten Führungskraft, sich an neue Verhältnisse anzupassen, Bewährtes mit Neuem zu verbinden und sich im unternehmerischen wie im menschlichen Sinne gewinnbringend einzusetzen.
Das neue Führen, Digital Leadership bedeutet den eigenen Führungsstil sowie Strukturen, Prozesse und Werte einer Organisation kontinuierlich zu hinterfragen. Transparenz, Flexibilität und Teamorientierung sind dabei die Grundprinzipien mit dem Ziel das Team und auch jeden einzelnen weiterzuentwickeln und nach vorne zu bringen. Der Digital Leader hat die Aufgabe, flexibel und agil zu führen, um Innovation zu ermöglichen und Entscheidungen zu beschleunigen.
Die internationale Personalberatung Russel Reynolds hat fünf Persönlichkeitsmerkmale definiert, die einen Leader in der digitalen Transformation auszeichnen: innovativ, disruptiv, mutig, entscheidungsfreudig und sozial kompetent. Auch wenn alle diese Kriterien für den Erfolg als Digital Leader entscheidend sind – es gibt keine universell richtige Antwort. Denn Führung ist auch immer eine Frage der Persönlichkeit und nicht jeder fährt die gleiche Route.
„Fünf Persönlichkeitsmerkmale, die einen Leader in der digitalen Transformation auszeichnen: innovativ, disruptiv, mutig, entscheidungsfreudig und sozial kompetent.”
IAFOB: Wie sollten Unternehmen sich aufstellen, damit ihnen die digitale Transformation gelingt?
Ines Gensinger: Veränderung ist auch immer ein Change Prozess. Damit dieser gelingt, muss Veränderung in allen Köpfen und auf allen Hierachieebenen stattfinden. Wenn Einzelne, z.B. „die da oben“ oder ganze Gruppen nicht mitziehen oder zurückgelassen werden, findet Veränderung nur schleppend oder überhaupt nicht statt. Das Diktat von oben oder unten funktioniert genauso wenig wie das Überstülpen einer neuen Organisationform, die nicht alle mittragen.
Kurz: Es bedarf vor allem einer neuen Unternehmens- und Führungskultur. Wie? Ich sehe hier drei Handlungsfelder: Mensch, Raum und Technologie. Fangen wir beim wichtigsten an, beim Menschen. Wichtig ist, deutlich mehr Verantwortung ans Team abzugeben. Nur wer Vertrauen zu seinen Mitarbeitern hat, wird die Herausforderungen der Digitalisierung meistern. Dazu gehört Mitarbeiter zu befähigen, ihre Ziele zu erreichen und Eigenverantwortung zu übernehmen. Zweitens Freiräume zu schaffen, im Sinne von Vertrauensarbeitszeit und -ort sowie einer positiven Fehlerkultur. Und, drittens eine Technologie, die Zusammenarbeit zu jeder Zeit und an jedem Ort ermöglicht.
„Nur wer Vertrauen zu seinen Mitarbeitern hat, wird die Herausforderungen der Digitalisierung meistern.”
IAFOB: Sie haben lange bei Microsoft gearbeitet und dort ein 15-köpfiges Kommunikationsteam geleitet. Was sind aus Ihrer eigenen Erfahrung die wichtigsten Skills, die eine Führungskraft mitbringen sollte?
Ines Gensinger: Nach meiner Erfahrung sind gute Führungskräfte inspiriert und inspirierend zugleich. Der Chef von heute muss mehr Coachen als Führen, mehr Vertrauen als Vorgeben und Kontrollieren. Ein gutes Team entsteht nicht, indem jeder sein Bestes gibt, sondern wenn einer für den anderen einsteht und unterstützt, Ziele zu erreichen. Als Führungskraft sollte man für ein vertrauensvolles Umfeld sorgen, d.h. Freiräume schaffen und Vertrauensvorschuss gegeben. Die Formel „Können x Wollen x Dürfen“ bringt nur ein Ergebnis, wenn das „Dürfen“ nicht gleich null ist.
Wertschätzung der Mitarbeiter und Handeln im Einklang mit den eigenen Werten, d.h. Haltung, tragen dazu wesentlich bei. Ziel einer Führungskraft sollte sein, Motivationskiller ausfindig zu machen. Laut dem Engagement Index von Gallup hat jeder fünfte Deutsche schon mal daran gedacht, wegen seines direkten Vorgesetzen zu kündigen. Im Hinblick auf den Fachkräftemangel und „war of talents“ der absolute Wahnsinn für Unternehmen.
IAFOB: Viele Unternehmen bauen im Zuge des agilen Arbeitens zunehmend Hierarchieebenen ab. Braucht es denn zukünftig überhaupt noch Chefs?
Ines Gensinger: Chefs im Sinne von Vor-gesetzten sollten ausgedient haben. Ich bin nicht gegen Hierarchie. Doch so mancher Konzern zeigt, dass Hierarchien nicht unbedingt zu schnellen Entscheidungen führen müssen. Außerdem bedeutet ein Netzwerk auch nicht, alles basisdemokratisch zu entscheiden. Natürlich ist es wichtig, vielfältige Meinungen einzubeziehen – doch auch in Netzwerken gibt es am Ende Knotenpunkte, an denen Entscheidungen getroffen werden und Verantwortlichkeiten bestehen.
Die Kommunikation in solch einem Netzwerk ist eine Herausforderung. Doch intelligente, smarte Technologien helfen uns, diese zu kanalisieren und zu bündeln. Auf diese Weise stehen allen die relevanten Informationen immer aktuell zur Verfügung. Zusätzlich ist es auch in einem Netzwerk wichtig, welche Entscheidungen in welchem Kreis getroffen werden. Und das geht natürlich deutlich effizienter als in einem Konzern, in dem selbst bei kleinsten Entscheidungen alle Hierachieebenen einbezogen werden müssen.
Es kommt also auf eine gute Mischung aus zum Netzwerk passenden Kommunikationsstrukturen, digitalen Tools und eigenverantwortlichen, selbstbestimmten Teams an. So hat jedes Teammitglied die Möglichkeit, seine Meinung einzubringen. Dennoch können Entscheidungen entgegen einzelner Meinungen getroffen werden – hier ist es dann Aufgabe des Digital Leaders und auch des Netzwerks, die Einzelnen abzuholen und Entscheidungsprozesse und vor allem auch allem die Gründe transparent zu machen.
„Chefs im Sinne von Vor-Gesetzten sollten ausgedient haben.“
IAFOB: Auf der iafob-Jahrestagung 2019 werden Sie Denkanstöße dazu geben, welche Rolle Coaching als Mindset in der neuen Arbeitswelt spielt. Können Sie uns schon eine kleine Sneak Peak geben, was die Zuhörer*innen erwartet?
Ines Gensinger: Die neue Arbeitswelt ist geprägt von stetigem Wandel, oft getrieben durch Technologie. Neue Herausforderungen prasseln permanent auf Manager und Mitarbeiter ein. Dennoch arbeitet die Mehrheit der „Informationworker“ wie vor 50 Jahren: In eher starren Hierarchieebenen, wo der Chef allein die Richtung vorgibt, ein Austausch zwischen Abteilungen oder anderen Unternehmen selten stattfindet und Home Office argwöhnisch betrachtet wird. Führung funktioniert aus meiner Perspektive am besten auf Augenhöhe, d.h. mehr Coachen als Führen, mehr Vertrauen als Vorgeben. Selbstführung und Eigenverantwortung wollen aber auch gelernt werden. Feedback aus dem eigenen Netzwerk hilft dabei, das eigene Mindset stetig weiterzuentwickeln und davon profitieren alle.