Der Trend „New Work“ wird derzeit stark diskutiert. Frithjof Bergmann, ehem. Ann Harbor University of Michigan, ist der Gründer der Bewegung „Neue Arbeit“. Zentrale Werte der „Neuen Arbeit“ sind bei ihm Selbstständigkeit, Freiheit und Teilhabe an Gemeinschaft: „Arbeit, die man wirklich will, weg von der Erwerbsarbeit.“
Dieser Trend ist eng mit der Bewegung zur Einführung eines Grundeinkommens verbunden. In den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts war im Repräsentantenhaus der USA ein Gesetz zur Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens schon verabschiedet worden, scheiterte aber an der Zustimmung im Senat. Interessant war die Begründung, mit der die Amerikaner es einführen wollten. Es sei mit der Würde eines Menschen nicht vereinbar, dass sein Leben von der Erwerbsarbeit abhängig sei.
Arbeit – im ursprünglichen Sinn – ist Teil des Lebens. „Schon Gott hat gearbeitet; er war Gärtner im Paradies“, sagte Kardinal Reinhard Marx auf einer Veranstaltung der Ludwigs-Maximilians-Universität in München.
Wir haben diese Definition der Arbeit in den letzten zwei Jahrhunderten durch die Industrialisierung verlernt. Arbeit fand in einem Kontinuum aller Lebensbereiche statt, Arbeit war immer ein Teil des Lebens. Erst die Industriegesellschaft (ab 1774) hat die negativen Veränderungen gebracht, Arbeit als „Pflicht“ angesehen und unterteilt in Leben und Arbeit. Den Begriff Arbeitszeit gibt es beispielsweise erst seit gut 200 Jahren.
Noch heute wird sehr oft von zwei „Welten“ – einer Lebens- und einer Arbeitswelt – gesprochen. In einem Artikel in CIO, vom 18.10.2018, heißt es: „Wo hört Arbeit auf, wo fängt Leben an.“ Arbeit ist ein Teil des Lebens, der nicht vom restlichen Teil zu trennen ist.
Und ohne Arbeit gibt es keine hohe Lebensqualität, wir schöpfen Sinn aus der Arbeit, Arbeit gibt das Gefühl gebraucht zu werden, einen Dienst an der Gemeinschaft zu leisten. Dazu müssen wir allerdings alle Formen von Arbeit sehen, Eigenarbeit, Sozialarbeit, Bürgerarbeit, Familienarbeit und Arbeitslosigkeit neu definieren.
Nicht der Verlust der Arbeit, sondern der Verlust der Sinnhaftigkeit der Arbeit macht unzufrieden, unproduktiv, einfallslos und letztlich auch krank.
Prof. Dr. Tatjana Schnell, Universität Innsbruck, sagte auf der iafob deutschland Jahrestagung 2016: 36 Prozent der Vorstandsmitglieder und sogar 72 Prozent der mittleren Manager vermissen einen Sinn in der Arbeit. 63 Prozent der Generation Y (23- bis 35-Jährige) sagen, eine sinnstiftende Tätigkeit sei für sie wichtig. Bei einer Befragung von 100.000 Berufstätigen in Nordamerika, Europa und Asien-Pazifik antworteten 51 Prozent: „Wir wären bereit, eine niedrigere Position oder weniger Gehalt für mehr Sinnhaftigkeit in unserer Arbeit hinzunehmen?“
Sinnerfüllung sagt 66 Prozent des Arbeitsengagements vorher. „Denn zu arbeiten, etwas zu gestalten, sich selbst zu verwirklichen, liegt in der Natur des Menschen. Von neun bis fünf in einem Büro zu sitzen und dafür Lohn zu bekommen nicht“ (Richard David Precht: „Jäger, Hirten, Kritiker“, Goldmann Verlag, 2018).
Die Digitalisierung der Lebens- und Arbeitswelten wird unser gesellschaftliches Zusammenleben verändern, das laut Precht nur in den Griff zu bekommen ist, wenn die Weichen heute gestellt werden und wir unser Gesellschaftssystem konsequent verändern. Der Grundton seines aktuellen Buches ist, dass es böse enden werde, wenn wir bei einem „Weiter so“ blieben.
Und so wird im „New Work“-Konzept auch immer die Frage gestellt: „How to prosper in a workplace without jobs“?
Die amerikanischen Philosophen Dreyfus und Kelly von der Stanford University beschreiben 2011 einen Weg, der zur Sinnerfüllung bei der Arbeit führt. Nicht der von außen, von anderen bestimmte Sinn macht die Arbeit wertvoll, sondern die Fähigkeit, einen Sinn in der Tätigkeit zu sehen. Dies gelingt aber nur, wenn die Tätigkeit als anspruchsvoll empfunden wird und größte Aufmerksamkeit verlangt.
Der amerikanische Psychologe Csikszentmihalyis hat dafür den Begriff „Flow“ erfunden. Der Mensch fühlt sich dann am wohlsten, wenn er sich in eine anspruchsvolle Aufgabe versenken kann, wenn er voll in einer Beschäftigung aufgeht.
Neue neurobiologische Studien zeigen auch: wir sind zur Kooperation angelegt (Joachim Bauer: „Prinzip Menschlichkeit, Warum wir von Natur aus kooperieren“). Unser Körperbau, unsere Sinne sind immer noch auf die Lebensweise als Jäger und Sammler eingerichtet. So wie der Mensch die Bewegung braucht, so braucht er auch die Gemeinschaft. Das Jagen und Sammeln geschah gemeinsam, in kleinen Gruppen war man unterwegs, stimmte sich untereinander ab, um das gemeinsame Ziel zu erreichen.
Wir haben es also in der Hand, unser Arbeiten und die Umgebungsbedingungen der Arbeit so zu gestalten, dass es unseren biologischen Bedürfnissen entspricht.
Deshalb sollten sich die Arbeitsbedingungen an dem Bedürfnis zur Gemeinschaft und an dem Bedürfnis nach Sinnerfüllung orientieren.
Coworking und Deep Work schaffen die inneren Bedingungen, die nach Jahren und Jahrzehnten wieder Lust aufs Arbeiten fördern. Arbeit muss wieder ein Kontinuum mit anderen Lebensbereichen bilden, in Balance zu den anderen Lebensbereichen sein. So wird Selbstverwirklichung und Spaß an der Arbeit geschaffen, so können wir die negativen Folgen – zunehmende psychische Erkrankungen durch die Arbeit – heutiger Arbeitsbedingungen beseitigen.
New Work – es gibt noch viel zu tun, damit die Neue Lust am Arbeiten erreicht ist. Prof. Dr. Thomas Rigotti zeigt in seinem Interview zur iafob deutschland Jahrestagung 2018 auf, welche gesellschaftlichen Werte einer Umorientierung bedürfen, beispielsweise im Leistungsbegriff werde heute die aufgewendete Energie aber vor allem die benötigte Zeit eher heruntergespielt.
Trennen wir doch das Bestreben, Ideen durch (zufällige) Begegnungen zu erhalten, von dem Vorhaben des konzentrierten Verarbeitens einer Idee. Versuchen wir doch, jede Performance einzeln zu optimieren, statt sie miteinander zu einem Gemisch zu vermengen, das beiden Zielsetzungen im Weg steht. Das heißt: Wir brauchen sowohl „Coworking“ als auch „Deep Work“, um effizient zu arbeiten und optimale Ergebnisse zu erzielen.